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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 19te März.
Judäens Schicksal warne mich,
Dich Gott Meßias! zu verachten.
Wer dich bekriegt, bekrieget sich,
Und Tod und Zukunft sind ihm -- Schlachten.


Die Augen der Christen sind in diesen Tagen auf Judäa oder
das gelobte Land gerichtet, welches auch Kanaan und
Palästina heißt. Das merkwürdigste Land auf dem Erdboden!
vornemlich weil es der Geburts- und Leidensort unsers Erlösers ist.
Wir können diese Provinz aber auch als einen unverdächtigen
Zeugen für die Wahrheit unsrer Religion reden lassen.

Die ehemalige Beschaffenheit dieses Landes wäre schon hin-
reichend dazu. Warum verhieß Gott dis an sich mittelmäßige
Reich, dem Abraham und seinen Nachkommen als eine wichtige
Belohnung? Und warum sehnten sich die Erzväter und selbst der
mächtige Joseph nach diesem verheißnen Lande? Abraham glaubte
dem Versprechen Gottes; statt aber es auszuführen, und mit sei-
nen zahlreichen Kindern und Knechten dis Land zu erobern, zer-
theilte er vielmehr seine Macht, that alle seine Kinder, selbst den
kriegerischen Ismael von sich, und erkaufte nur ohnweit Hebron
eine Begräbnishöle für seine Sarah. Etwa vierhundert Jahre
nachher, nachdem die Sehnsucht der gedrückten Israeliten nach
diesem verheißnen Lande aufs höchste gestiegen, und das Vorhaben
Gottes ruchtbar worden war, führte Moses das Volk aus Egy-
pten, und nahm so gar die Leichname Jakobs und Josephs mit
sich, wie diese es in ihrem letzten Willen verlanget hatten. Aber
nach vierzigjährigem Herumirren in der Wüste starben alle be-
jahrte Israeliten aus, ihres Murrens wegen, und weil ihnen die
gesehene Abgötterei in Egypten östers, wie beim gegoßnen Kalbe,
ins Gedächtniß kam. Ihre meistens in der Wüste geborne Kin-
der wurden endlich des Wartens satt, und waren zum Kriegfüh-

ren
L 2


Der 19te Maͤrz.
Judaͤens Schickſal warne mich,
Dich Gott Meßias! zu verachten.
Wer dich bekriegt, bekrieget ſich,
Und Tod und Zukunft ſind ihm — Schlachten.


Die Augen der Chriſten ſind in dieſen Tagen auf Judaͤa oder
das gelobte Land gerichtet, welches auch Kanaan und
Palaͤſtina heißt. Das merkwuͤrdigſte Land auf dem Erdboden!
vornemlich weil es der Geburts- und Leidensort unſers Erloͤſers iſt.
Wir koͤnnen dieſe Provinz aber auch als einen unverdaͤchtigen
Zeugen fuͤr die Wahrheit unſrer Religion reden laſſen.

Die ehemalige Beſchaffenheit dieſes Landes waͤre ſchon hin-
reichend dazu. Warum verhieß Gott dis an ſich mittelmaͤßige
Reich, dem Abraham und ſeinen Nachkommen als eine wichtige
Belohnung? Und warum ſehnten ſich die Erzvaͤter und ſelbſt der
maͤchtige Joſeph nach dieſem verheißnen Lande? Abraham glaubte
dem Verſprechen Gottes; ſtatt aber es auszufuͤhren, und mit ſei-
nen zahlreichen Kindern und Knechten dis Land zu erobern, zer-
theilte er vielmehr ſeine Macht, that alle ſeine Kinder, ſelbſt den
kriegeriſchen Iſmael von ſich, und erkaufte nur ohnweit Hebron
eine Begraͤbnishoͤle fuͤr ſeine Sarah. Etwa vierhundert Jahre
nachher, nachdem die Sehnſucht der gedruͤckten Iſraeliten nach
dieſem verheißnen Lande aufs hoͤchſte geſtiegen, und das Vorhaben
Gottes ruchtbar worden war, fuͤhrte Moſes das Volk aus Egy-
pten, und nahm ſo gar die Leichname Jakobs und Joſephs mit
ſich, wie dieſe es in ihrem letzten Willen verlanget hatten. Aber
nach vierzigjaͤhrigem Herumirren in der Wuͤſte ſtarben alle be-
jahrte Iſraeliten aus, ihres Murrens wegen, und weil ihnen die
geſehene Abgoͤtterei in Egypten oͤſters, wie beim gegoßnen Kalbe,
ins Gedaͤchtniß kam. Ihre meiſtens in der Wuͤſte geborne Kin-
der wurden endlich des Wartens ſatt, und waren zum Kriegfuͤh-

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L 2
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[163[193]/0200] Der 19te Maͤrz. Judaͤens Schickſal warne mich, Dich Gott Meßias! zu verachten. Wer dich bekriegt, bekrieget ſich, Und Tod und Zukunft ſind ihm — Schlachten. Die Augen der Chriſten ſind in dieſen Tagen auf Judaͤa oder das gelobte Land gerichtet, welches auch Kanaan und Palaͤſtina heißt. Das merkwuͤrdigſte Land auf dem Erdboden! vornemlich weil es der Geburts- und Leidensort unſers Erloͤſers iſt. Wir koͤnnen dieſe Provinz aber auch als einen unverdaͤchtigen Zeugen fuͤr die Wahrheit unſrer Religion reden laſſen. Die ehemalige Beſchaffenheit dieſes Landes waͤre ſchon hin- reichend dazu. Warum verhieß Gott dis an ſich mittelmaͤßige Reich, dem Abraham und ſeinen Nachkommen als eine wichtige Belohnung? Und warum ſehnten ſich die Erzvaͤter und ſelbſt der maͤchtige Joſeph nach dieſem verheißnen Lande? Abraham glaubte dem Verſprechen Gottes; ſtatt aber es auszufuͤhren, und mit ſei- nen zahlreichen Kindern und Knechten dis Land zu erobern, zer- theilte er vielmehr ſeine Macht, that alle ſeine Kinder, ſelbſt den kriegeriſchen Iſmael von ſich, und erkaufte nur ohnweit Hebron eine Begraͤbnishoͤle fuͤr ſeine Sarah. Etwa vierhundert Jahre nachher, nachdem die Sehnſucht der gedruͤckten Iſraeliten nach dieſem verheißnen Lande aufs hoͤchſte geſtiegen, und das Vorhaben Gottes ruchtbar worden war, fuͤhrte Moſes das Volk aus Egy- pten, und nahm ſo gar die Leichname Jakobs und Joſephs mit ſich, wie dieſe es in ihrem letzten Willen verlanget hatten. Aber nach vierzigjaͤhrigem Herumirren in der Wuͤſte ſtarben alle be- jahrte Iſraeliten aus, ihres Murrens wegen, und weil ihnen die geſehene Abgoͤtterei in Egypten oͤſters, wie beim gegoßnen Kalbe, ins Gedaͤchtniß kam. Ihre meiſtens in der Wuͤſte geborne Kin- der wurden endlich des Wartens ſatt, und waren zum Kriegfuͤh- ren L 2

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 163[193]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/200>, abgerufen am 24.11.2024.