Mein Auge sieht, wohin es blickt, Die Wunder deiner Werke. Der Himmel, prächtig ausgeschmückt, Preis't dich, du Gott der Stärke! Wer hat die Sonn an ihm erhöht? Wer kleidet sie mit Majestät? Wer ruft dem Heer der Sterne?
In diesen Tagen ist der gestirnte Himmel bei meinem Schlafengehn geschmückter, wie sonst. Ohne die Planeten, welche von einem Gestirn zum andern laufen und einen ruhig hel- len Glanz haben, zählet man ohngefehr funfzehn Sterne erster Grösse, deren Glanz vor allen andern hervor funkelt; und von diesen sind jetzt zwölfe über dem Horizonte sichtbar. Nach vier Wochen ist diese Pracht Abends um acht Uhr zu sehen: später hin aber gehen einige dieser strahlenden Sonnen schon in der Abend- dämmerung unter. Man hat vor etlichen tausend Jahren jedem dieser erhabenen Boten Gottes einen besondern Namen gegeben; den haben sie noch und den verdienten sie doch wol ehe als unsre neumodischen Zeuge?
Es ist betrübt, daß Menschen der Werke ihres Schöpfers so wenig achten. Pferde und Hunde grosser Herren werden mehr bewundert, als -- o! ich will den uns brandmarkenden Gedan- ken verbeissen! Wie? ich solte die Röcke meiner Nachbarn, die Farbe der Häuser um mich her, die kleine Tagegeschichtchen der Stadt kennen: und deine majestätische Herolde, du Monarch der Monarchen! deinen funkelnden Weg am Himmel achtete ich kaum des Ansehens werth? Verwünscht sey alle Majestät und Viel- wisserei, wenn sie hindert, Gott näher zu kennen! Ueber mir Sonnen: unter ihnen -- Staub!
Reiß
Der 8te Maͤrz.
Mein Auge ſieht, wohin es blickt, Die Wunder deiner Werke. Der Himmel, praͤchtig ausgeſchmuͤckt, Preiſ’t dich, du Gott der Staͤrke! Wer hat die Sonn an ihm erhoͤht? Wer kleidet ſie mit Majeſtaͤt? Wer ruft dem Heer der Sterne?
In dieſen Tagen iſt der geſtirnte Himmel bei meinem Schlafengehn geſchmuͤckter, wie ſonſt. Ohne die Planeten, welche von einem Geſtirn zum andern laufen und einen ruhig hel- len Glanz haben, zaͤhlet man ohngefehr funfzehn Sterne erſter Groͤſſe, deren Glanz vor allen andern hervor funkelt; und von dieſen ſind jetzt zwoͤlfe uͤber dem Horizonte ſichtbar. Nach vier Wochen iſt dieſe Pracht Abends um acht Uhr zu ſehen: ſpaͤter hin aber gehen einige dieſer ſtrahlenden Sonnen ſchon in der Abend- daͤmmerung unter. Man hat vor etlichen tauſend Jahren jedem dieſer erhabenen Boten Gottes einen beſondern Namen gegeben; den haben ſie noch und den verdienten ſie doch wol ehe als unſre neumodiſchen Zeuge?
Es iſt betruͤbt, daß Menſchen der Werke ihres Schoͤpfers ſo wenig achten. Pferde und Hunde groſſer Herren werden mehr bewundert, als — o! ich will den uns brandmarkenden Gedan- ken verbeiſſen! Wie? ich ſolte die Roͤcke meiner Nachbarn, die Farbe der Haͤuſer um mich her, die kleine Tagegeſchichtchen der Stadt kennen: und deine majeſtaͤtiſche Herolde, du Monarch der Monarchen! deinen funkelnden Weg am Himmel achtete ich kaum des Anſehens werth? Verwuͤnſcht ſey alle Majeſtaͤt und Viel- wiſſerei, wenn ſie hindert, Gott naͤher zu kennen! Ueber mir Sonnen: unter ihnen — Staub!
Reiß
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[141[171]/0178]
Der 8te Maͤrz.
Mein Auge ſieht, wohin es blickt,
Die Wunder deiner Werke.
Der Himmel, praͤchtig ausgeſchmuͤckt,
Preiſ’t dich, du Gott der Staͤrke!
Wer hat die Sonn an ihm erhoͤht?
Wer kleidet ſie mit Majeſtaͤt?
Wer ruft dem Heer der Sterne?
In dieſen Tagen iſt der geſtirnte Himmel bei meinem
Schlafengehn geſchmuͤckter, wie ſonſt. Ohne die Planeten,
welche von einem Geſtirn zum andern laufen und einen ruhig hel-
len Glanz haben, zaͤhlet man ohngefehr funfzehn Sterne erſter
Groͤſſe, deren Glanz vor allen andern hervor funkelt; und von
dieſen ſind jetzt zwoͤlfe uͤber dem Horizonte ſichtbar. Nach vier
Wochen iſt dieſe Pracht Abends um acht Uhr zu ſehen: ſpaͤter hin
aber gehen einige dieſer ſtrahlenden Sonnen ſchon in der Abend-
daͤmmerung unter. Man hat vor etlichen tauſend Jahren jedem
dieſer erhabenen Boten Gottes einen beſondern Namen gegeben;
den haben ſie noch und den verdienten ſie doch wol ehe als unſre
neumodiſchen Zeuge?
Es iſt betruͤbt, daß Menſchen der Werke ihres Schoͤpfers
ſo wenig achten. Pferde und Hunde groſſer Herren werden mehr
bewundert, als — o! ich will den uns brandmarkenden Gedan-
ken verbeiſſen! Wie? ich ſolte die Roͤcke meiner Nachbarn, die
Farbe der Haͤuſer um mich her, die kleine Tagegeſchichtchen der
Stadt kennen: und deine majeſtaͤtiſche Herolde, du Monarch der
Monarchen! deinen funkelnden Weg am Himmel achtete ich kaum
des Anſehens werth? Verwuͤnſcht ſey alle Majeſtaͤt und Viel-
wiſſerei, wenn ſie hindert, Gott naͤher zu kennen! Ueber mir
Sonnen: unter ihnen — Staub!
Reiß
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 141[171]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/178>, abgerufen am 24.11.2024.
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