Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 29te Februar. chen Daniels, diese pünktliche Bestimmung der Geburt Christi,keine gemeine Einsicht in die Chronologie erfodern: so kan mich der heutige Tag an manche wichtige Wahrheit erinnern. Mit wel- chen erhabnen Vorzügen hast du, o Gott! die Menschen begabt! Ihr Verstand dringt über die Wolken, mißt den wunderbaren Lauf deiner Welten, und -- sich selbst kennen sie selten genau! Von da durchspüren sie die Eingeweide der Berge, und -- sich selbst vergessen sie! Wie groß und wie klein ist doch der Sterbli- che! Und welch ein Zwerg ist er, trotz seines Aufblähens, wenn er Gott nicht fürchtet! Wie viele Aussichten eröfnet mir demnach nicht der heutige Der
Der 29te Februar. chen Daniels, dieſe puͤnktliche Beſtimmung der Geburt Chriſti,keine gemeine Einſicht in die Chronologie erfodern: ſo kan mich der heutige Tag an manche wichtige Wahrheit erinnern. Mit wel- chen erhabnen Vorzuͤgen haſt du, o Gott! die Menſchen begabt! Ihr Verſtand dringt uͤber die Wolken, mißt den wunderbaren Lauf deiner Welten, und — ſich ſelbſt kennen ſie ſelten genau! Von da durchſpuͤren ſie die Eingeweide der Berge, und — ſich ſelbſt vergeſſen ſie! Wie groß und wie klein iſt doch der Sterbli- che! Und welch ein Zwerg iſt er, trotz ſeines Aufblaͤhens, wenn er Gott nicht fuͤrchtet! Wie viele Ausſichten eroͤfnet mir demnach nicht der heutige Der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0161" n="124[154]"/><fw place="top" type="header">Der 29<hi rendition="#sup">te</hi> Februar.</fw><lb/> chen Daniels, dieſe puͤnktliche Beſtimmung der Geburt Chriſti,<lb/> keine gemeine Einſicht in die Chronologie erfodern: ſo kan mich<lb/> der heutige Tag an manche wichtige Wahrheit erinnern. Mit wel-<lb/> chen erhabnen Vorzuͤgen haſt du, o Gott! die Menſchen begabt!<lb/> Ihr Verſtand dringt uͤber die Wolken, mißt den wunderbaren<lb/> Lauf deiner Welten, und — ſich ſelbſt kennen ſie ſelten genau!<lb/> Von da durchſpuͤren ſie die Eingeweide der Berge, und — ſich<lb/> ſelbſt vergeſſen ſie! Wie groß und wie klein iſt doch der Sterbli-<lb/> che! Und welch ein Zwerg iſt er, trotz ſeines Aufblaͤhens, wenn<lb/> er Gott nicht fuͤrchtet!</p><lb/> <p>Wie viele Ausſichten eroͤfnet mir demnach nicht der heutige<lb/> ſeltne Tag! Aber das ſoll mir die wichtigſte ſeyn, daß wenn ich<lb/> ihn, nach manchem ſauren Schritt, aber auch nach unzaͤhligen<lb/> Wohlthaten Gottes, noch Einmal erleben ſolte, er mich alsdann<lb/> fertiger im Guten und vereinigter mit Jeſu antreffen muͤſſe. Dis<lb/> ſey mein heutiges Geluͤbde. Erinnere mich deſſen, mein Erloͤ-<lb/> ſer! ſo oft ich leichtſinnig werden will, und erhalt mich dir ge-<lb/> treu, bis ich dahin komme, wo keine Abwechſelung von Licht und<lb/> Finſterniß, wo keine Zeit mehr iſt!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [124[154]/0161]
Der 29te Februar.
chen Daniels, dieſe puͤnktliche Beſtimmung der Geburt Chriſti,
keine gemeine Einſicht in die Chronologie erfodern: ſo kan mich
der heutige Tag an manche wichtige Wahrheit erinnern. Mit wel-
chen erhabnen Vorzuͤgen haſt du, o Gott! die Menſchen begabt!
Ihr Verſtand dringt uͤber die Wolken, mißt den wunderbaren
Lauf deiner Welten, und — ſich ſelbſt kennen ſie ſelten genau!
Von da durchſpuͤren ſie die Eingeweide der Berge, und — ſich
ſelbſt vergeſſen ſie! Wie groß und wie klein iſt doch der Sterbli-
che! Und welch ein Zwerg iſt er, trotz ſeines Aufblaͤhens, wenn
er Gott nicht fuͤrchtet!
Wie viele Ausſichten eroͤfnet mir demnach nicht der heutige
ſeltne Tag! Aber das ſoll mir die wichtigſte ſeyn, daß wenn ich
ihn, nach manchem ſauren Schritt, aber auch nach unzaͤhligen
Wohlthaten Gottes, noch Einmal erleben ſolte, er mich alsdann
fertiger im Guten und vereinigter mit Jeſu antreffen muͤſſe. Dis
ſey mein heutiges Geluͤbde. Erinnere mich deſſen, mein Erloͤ-
ſer! ſo oft ich leichtſinnig werden will, und erhalt mich dir ge-
treu, bis ich dahin komme, wo keine Abwechſelung von Licht und
Finſterniß, wo keine Zeit mehr iſt!
Der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |