Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.daß dein Schwiegervater dir ganz nahe lebt, und wie froh bin ich, daß ich hinzusetzen kann, dir versöhnt. Ich komme eben von ihm her, aber ohne ihm gesagt zu haben, daß ich die fast gewisse Hoffnung hegte, dich heut noch zu sehn. Er wünscht, wenn du dich mit der Tochter wiederfindest, daß du auf seinen Gütern lebst, da du gewiß selbst nicht in deine frühere Carriere zurücktreten möchtest. Alles war Freude. Den beiden Eheleuten war die Aussicht, wieder anständig und in behaglicher Wohlhabenheit zu leben, wie dem Kinde die Weihnachtbescherung. Gern ließen sie die nothgedrungene Philosophie der Armuth fahren, deren Trost und Bitterkeit sie bis auf den letzten Tropfen ausgekostet hatten. Vandelmeer führte sie in der Kutsche erst nach seiner Wohnung, wo man sogleich für anständige Kleider sorgte, um sich in diesen dem versöhnten Vater vorzustellen. Daß die alte getreue Christine nicht vergessen wurde, bedarf wohl keiner Erinnerung. Sie war in ihrer Art ebenso glücklich wie ihre Herrschaft. Nun sah man in der kleinen Gasse Maurer, Zimmerleute und Tischler thätig. Lachend führte der alte Emmerich die Aufsicht über diese Wiederherstellung und den Bau seiner neuen Treppe, die ungeachtet der daß dein Schwiegervater dir ganz nahe lebt, und wie froh bin ich, daß ich hinzusetzen kann, dir versöhnt. Ich komme eben von ihm her, aber ohne ihm gesagt zu haben, daß ich die fast gewisse Hoffnung hegte, dich heut noch zu sehn. Er wünscht, wenn du dich mit der Tochter wiederfindest, daß du auf seinen Gütern lebst, da du gewiß selbst nicht in deine frühere Carriere zurücktreten möchtest. Alles war Freude. Den beiden Eheleuten war die Aussicht, wieder anständig und in behaglicher Wohlhabenheit zu leben, wie dem Kinde die Weihnachtbescherung. Gern ließen sie die nothgedrungene Philosophie der Armuth fahren, deren Trost und Bitterkeit sie bis auf den letzten Tropfen ausgekostet hatten. Vandelmeer führte sie in der Kutsche erst nach seiner Wohnung, wo man sogleich für anständige Kleider sorgte, um sich in diesen dem versöhnten Vater vorzustellen. Daß die alte getreue Christine nicht vergessen wurde, bedarf wohl keiner Erinnerung. Sie war in ihrer Art ebenso glücklich wie ihre Herrschaft. Nun sah man in der kleinen Gasse Maurer, Zimmerleute und Tischler thätig. Lachend führte der alte Emmerich die Aufsicht über diese Wiederherstellung und den Bau seiner neuen Treppe, die ungeachtet der <TEI> <text> <body> <div n="4"> <p><pb facs="#f0086"/> daß dein Schwiegervater dir ganz nahe lebt, und wie froh bin ich, daß ich hinzusetzen kann, dir versöhnt. Ich komme eben von ihm her, aber ohne ihm gesagt zu haben, daß ich die fast gewisse Hoffnung hegte, dich heut noch zu sehn. Er wünscht, wenn du dich mit der Tochter wiederfindest, daß du auf seinen Gütern lebst, da du gewiß selbst nicht in deine frühere Carriere zurücktreten möchtest.</p><lb/> <p>Alles war Freude. Den beiden Eheleuten war die Aussicht, wieder anständig und in behaglicher Wohlhabenheit zu leben, wie dem Kinde die Weihnachtbescherung. Gern ließen sie die nothgedrungene Philosophie der Armuth fahren, deren Trost und Bitterkeit sie bis auf den letzten Tropfen ausgekostet hatten.</p><lb/> <p>Vandelmeer führte sie in der Kutsche erst nach seiner Wohnung, wo man sogleich für anständige Kleider sorgte, um sich in diesen dem versöhnten Vater vorzustellen. Daß die alte getreue Christine nicht vergessen wurde, bedarf wohl keiner Erinnerung. Sie war in ihrer Art ebenso glücklich wie ihre Herrschaft.</p><lb/> </div> <div n="5"> <p>Nun sah man in der kleinen Gasse Maurer, Zimmerleute und Tischler thätig. Lachend führte der alte Emmerich die Aufsicht über diese Wiederherstellung und den Bau seiner neuen Treppe, die ungeachtet der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
daß dein Schwiegervater dir ganz nahe lebt, und wie froh bin ich, daß ich hinzusetzen kann, dir versöhnt. Ich komme eben von ihm her, aber ohne ihm gesagt zu haben, daß ich die fast gewisse Hoffnung hegte, dich heut noch zu sehn. Er wünscht, wenn du dich mit der Tochter wiederfindest, daß du auf seinen Gütern lebst, da du gewiß selbst nicht in deine frühere Carriere zurücktreten möchtest.
Alles war Freude. Den beiden Eheleuten war die Aussicht, wieder anständig und in behaglicher Wohlhabenheit zu leben, wie dem Kinde die Weihnachtbescherung. Gern ließen sie die nothgedrungene Philosophie der Armuth fahren, deren Trost und Bitterkeit sie bis auf den letzten Tropfen ausgekostet hatten.
Vandelmeer führte sie in der Kutsche erst nach seiner Wohnung, wo man sogleich für anständige Kleider sorgte, um sich in diesen dem versöhnten Vater vorzustellen. Daß die alte getreue Christine nicht vergessen wurde, bedarf wohl keiner Erinnerung. Sie war in ihrer Art ebenso glücklich wie ihre Herrschaft.
Nun sah man in der kleinen Gasse Maurer, Zimmerleute und Tischler thätig. Lachend führte der alte Emmerich die Aufsicht über diese Wiederherstellung und den Bau seiner neuen Treppe, die ungeachtet der
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/86>, abgerufen am 20.07.2024. |