Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.werden könne. Der Fremde schritt jetzt tiefer in den dunkeln Hausflur hinein und rief mit lauter Stimme: Wohnt denn hier wirklich ein Herr Brand? Ja wohl, sagte Heinrich; wer ist da unten Neues, der nach mir fragt? Die Leiter her! sagte der Fremde, daß ich hinaufsteigen kann. Das werde ich Jedem unmöglich machen, rief Heinrich; es hat kein Fremder hier oben bei mir etwas zu suchen, und keiner soll mich molestiren. Wenn ich aber den Chaucer wiederbringe? rief der Fremde, die Ausgabe von Caxton, mit dem beschriebenen Blatt des Herrn Brand? Himmel! rief dieser, ich mache Platz, der gute Engel, der Fremde, mag heraufkommen. -- Clara! rief er seiner Frau fröhlich, aber mit einer Thräne entgegen, unser Sickingen ist wirklich angelangt! Der Fremde sprach mit dem Wirth und beruhigte ihn völlig, die Polizei ward entlassen und belohnt, am schwersten aber war es, das aufgeregte Volk zu entfernen; doch als endlich auch dies gelungen war, schleppte Ulrich die große Leiter herbei, und der vornehme Unbekannte stieg allein zur Wohnung des Freundes hinauf. Lächelnd sah sich der Fremde im kleinen Zimmer um, begrüßte höflich die Frau und stürzte dann dem seltsam bewegten Heinrich in die Arme. Dieser konnte nur das eine Wort: Mein Andreas! hervorbringen. werden könne. Der Fremde schritt jetzt tiefer in den dunkeln Hausflur hinein und rief mit lauter Stimme: Wohnt denn hier wirklich ein Herr Brand? Ja wohl, sagte Heinrich; wer ist da unten Neues, der nach mir fragt? Die Leiter her! sagte der Fremde, daß ich hinaufsteigen kann. Das werde ich Jedem unmöglich machen, rief Heinrich; es hat kein Fremder hier oben bei mir etwas zu suchen, und keiner soll mich molestiren. Wenn ich aber den Chaucer wiederbringe? rief der Fremde, die Ausgabe von Caxton, mit dem beschriebenen Blatt des Herrn Brand? Himmel! rief dieser, ich mache Platz, der gute Engel, der Fremde, mag heraufkommen. — Clara! rief er seiner Frau fröhlich, aber mit einer Thräne entgegen, unser Sickingen ist wirklich angelangt! Der Fremde sprach mit dem Wirth und beruhigte ihn völlig, die Polizei ward entlassen und belohnt, am schwersten aber war es, das aufgeregte Volk zu entfernen; doch als endlich auch dies gelungen war, schleppte Ulrich die große Leiter herbei, und der vornehme Unbekannte stieg allein zur Wohnung des Freundes hinauf. Lächelnd sah sich der Fremde im kleinen Zimmer um, begrüßte höflich die Frau und stürzte dann dem seltsam bewegten Heinrich in die Arme. Dieser konnte nur das eine Wort: Mein Andreas! hervorbringen. <TEI> <text> <body> <div n="4"> <p><pb facs="#f0083"/> werden könne. Der Fremde schritt jetzt tiefer in den dunkeln Hausflur hinein und rief mit lauter Stimme: Wohnt denn hier wirklich ein Herr Brand?</p><lb/> <p>Ja wohl, sagte Heinrich; wer ist da unten Neues, der nach mir fragt?</p><lb/> <p>Die Leiter her! sagte der Fremde, daß ich hinaufsteigen kann.</p><lb/> <p>Das werde ich Jedem unmöglich machen, rief Heinrich; es hat kein Fremder hier oben bei mir etwas zu suchen, und keiner soll mich molestiren.</p><lb/> <p>Wenn ich aber den Chaucer wiederbringe? rief der Fremde, die Ausgabe von Caxton, mit dem beschriebenen Blatt des Herrn Brand?</p><lb/> <p>Himmel! rief dieser, ich mache Platz, der gute Engel, der Fremde, mag heraufkommen. — Clara! rief er seiner Frau fröhlich, aber mit einer Thräne entgegen, unser Sickingen ist wirklich angelangt!</p><lb/> <p>Der Fremde sprach mit dem Wirth und beruhigte ihn völlig, die Polizei ward entlassen und belohnt, am schwersten aber war es, das aufgeregte Volk zu entfernen; doch als endlich auch dies gelungen war, schleppte Ulrich die große Leiter herbei, und der vornehme Unbekannte stieg allein zur Wohnung des Freundes hinauf.</p><lb/> <p>Lächelnd sah sich der Fremde im kleinen Zimmer um, begrüßte höflich die Frau und stürzte dann dem seltsam bewegten Heinrich in die Arme. Dieser konnte nur das eine Wort: Mein Andreas! hervorbringen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
werden könne. Der Fremde schritt jetzt tiefer in den dunkeln Hausflur hinein und rief mit lauter Stimme: Wohnt denn hier wirklich ein Herr Brand?
Ja wohl, sagte Heinrich; wer ist da unten Neues, der nach mir fragt?
Die Leiter her! sagte der Fremde, daß ich hinaufsteigen kann.
Das werde ich Jedem unmöglich machen, rief Heinrich; es hat kein Fremder hier oben bei mir etwas zu suchen, und keiner soll mich molestiren.
Wenn ich aber den Chaucer wiederbringe? rief der Fremde, die Ausgabe von Caxton, mit dem beschriebenen Blatt des Herrn Brand?
Himmel! rief dieser, ich mache Platz, der gute Engel, der Fremde, mag heraufkommen. — Clara! rief er seiner Frau fröhlich, aber mit einer Thräne entgegen, unser Sickingen ist wirklich angelangt!
Der Fremde sprach mit dem Wirth und beruhigte ihn völlig, die Polizei ward entlassen und belohnt, am schwersten aber war es, das aufgeregte Volk zu entfernen; doch als endlich auch dies gelungen war, schleppte Ulrich die große Leiter herbei, und der vornehme Unbekannte stieg allein zur Wohnung des Freundes hinauf.
Lächelnd sah sich der Fremde im kleinen Zimmer um, begrüßte höflich die Frau und stürzte dann dem seltsam bewegten Heinrich in die Arme. Dieser konnte nur das eine Wort: Mein Andreas! hervorbringen.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/83>, abgerufen am 19.07.2024. |