Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nehmen konnte. So ist die Armuth mit unsrer Liebe eins geworden, und dieses Stübchen, unser Gespräch, unser Anblicken und Schauen in des Geliebten Auge ist unser Leben. Richtig! rief Heinrich aus und sprang auf in seiner Freude, um die Schöne lebhaft zu umarmen; wie gestört, ewig getrennt, einsam und zerstreut wären wir nun in jenem Schwarm der vornehmen Cirkel, wenn Alles in seiner Ordnung vor sich gegangen wäre. Welch Blicken, Sprechen, Handgeben, Denken dort! Man könnte Thiere oder selbst Marionetten so abrichten und eindrechseln, daß sie eben die Complimente machten und solche Redensarten von sich gäben. So sind wir, mein Schatz, wie Adam und Eva hier in unserm Paradiese, und kein Engel kommt auf den ganz überflüssigen Einfall, uns daraus zu vertreiben. Nur, sagte sie etwas kleinlaut, fängt das Holz an, ganz einzugehen, und dieser Winter ist der härteste, den ich bis jetzt noch erlebt habe. Heinrich lachte. Sieh, rief er, ich muß aus purer Bosheit lachen, aber es ist darum noch nicht das Lachen der Verzweiflung, sondern einer gewissen Verlegenheit, da ich durchaus nicht weiß, wo ich Geld hernehmen könnte. Aber finden müssen sich die Mittel; denn es ist undenkbar, daß wir erfrieren sollten bei so heißer Liebe, bei so warmem Blut! Pur unmöglich! Sie lachte ihn freundlich an und erwiderte: Wenn ich nur, so wie Lenette, Kleider zum Verkaufen mitge- nehmen konnte. So ist die Armuth mit unsrer Liebe eins geworden, und dieses Stübchen, unser Gespräch, unser Anblicken und Schauen in des Geliebten Auge ist unser Leben. Richtig! rief Heinrich aus und sprang auf in seiner Freude, um die Schöne lebhaft zu umarmen; wie gestört, ewig getrennt, einsam und zerstreut wären wir nun in jenem Schwarm der vornehmen Cirkel, wenn Alles in seiner Ordnung vor sich gegangen wäre. Welch Blicken, Sprechen, Handgeben, Denken dort! Man könnte Thiere oder selbst Marionetten so abrichten und eindrechseln, daß sie eben die Complimente machten und solche Redensarten von sich gäben. So sind wir, mein Schatz, wie Adam und Eva hier in unserm Paradiese, und kein Engel kommt auf den ganz überflüssigen Einfall, uns daraus zu vertreiben. Nur, sagte sie etwas kleinlaut, fängt das Holz an, ganz einzugehen, und dieser Winter ist der härteste, den ich bis jetzt noch erlebt habe. Heinrich lachte. Sieh, rief er, ich muß aus purer Bosheit lachen, aber es ist darum noch nicht das Lachen der Verzweiflung, sondern einer gewissen Verlegenheit, da ich durchaus nicht weiß, wo ich Geld hernehmen könnte. Aber finden müssen sich die Mittel; denn es ist undenkbar, daß wir erfrieren sollten bei so heißer Liebe, bei so warmem Blut! Pur unmöglich! Sie lachte ihn freundlich an und erwiderte: Wenn ich nur, so wie Lenette, Kleider zum Verkaufen mitge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0008"/> nehmen konnte. So ist die Armuth mit unsrer Liebe eins geworden, und dieses Stübchen, unser Gespräch, unser Anblicken und Schauen in des Geliebten Auge ist unser Leben.</p><lb/> <p>Richtig! rief Heinrich aus und sprang auf in seiner Freude, um die Schöne lebhaft zu umarmen; wie gestört, ewig getrennt, einsam und zerstreut wären wir nun in jenem Schwarm der vornehmen Cirkel, wenn Alles in seiner Ordnung vor sich gegangen wäre. Welch Blicken, Sprechen, Handgeben, Denken dort! Man könnte Thiere oder selbst Marionetten so abrichten und eindrechseln, daß sie eben die Complimente machten und solche Redensarten von sich gäben. So sind wir, mein Schatz, wie Adam und Eva hier in unserm Paradiese, und kein Engel kommt auf den ganz überflüssigen Einfall, uns daraus zu vertreiben.</p><lb/> <p>Nur, sagte sie etwas kleinlaut, fängt das Holz an, ganz einzugehen, und dieser Winter ist der härteste, den ich bis jetzt noch erlebt habe.</p><lb/> <p>Heinrich lachte. Sieh, rief er, ich muß aus purer Bosheit lachen, aber es ist darum noch nicht das Lachen der Verzweiflung, sondern einer gewissen Verlegenheit, da ich durchaus nicht weiß, wo ich Geld hernehmen könnte. Aber finden müssen sich die Mittel; denn es ist undenkbar, daß wir erfrieren sollten bei so heißer Liebe, bei so warmem Blut! Pur unmöglich!</p><lb/> <p>Sie lachte ihn freundlich an und erwiderte: Wenn ich nur, so wie Lenette, Kleider zum Verkaufen mitge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0008]
nehmen konnte. So ist die Armuth mit unsrer Liebe eins geworden, und dieses Stübchen, unser Gespräch, unser Anblicken und Schauen in des Geliebten Auge ist unser Leben.
Richtig! rief Heinrich aus und sprang auf in seiner Freude, um die Schöne lebhaft zu umarmen; wie gestört, ewig getrennt, einsam und zerstreut wären wir nun in jenem Schwarm der vornehmen Cirkel, wenn Alles in seiner Ordnung vor sich gegangen wäre. Welch Blicken, Sprechen, Handgeben, Denken dort! Man könnte Thiere oder selbst Marionetten so abrichten und eindrechseln, daß sie eben die Complimente machten und solche Redensarten von sich gäben. So sind wir, mein Schatz, wie Adam und Eva hier in unserm Paradiese, und kein Engel kommt auf den ganz überflüssigen Einfall, uns daraus zu vertreiben.
Nur, sagte sie etwas kleinlaut, fängt das Holz an, ganz einzugehen, und dieser Winter ist der härteste, den ich bis jetzt noch erlebt habe.
Heinrich lachte. Sieh, rief er, ich muß aus purer Bosheit lachen, aber es ist darum noch nicht das Lachen der Verzweiflung, sondern einer gewissen Verlegenheit, da ich durchaus nicht weiß, wo ich Geld hernehmen könnte. Aber finden müssen sich die Mittel; denn es ist undenkbar, daß wir erfrieren sollten bei so heißer Liebe, bei so warmem Blut! Pur unmöglich!
Sie lachte ihn freundlich an und erwiderte: Wenn ich nur, so wie Lenette, Kleider zum Verkaufen mitge-
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