Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus, daß ich von Allem, was nicht in meinem Zimmer vorgeht, gar keine Notiz nehme. Ich studire und arbeite, und kümmre mich um alles Andre gar nicht. Wir sprechen uns, Herr Brand, rief Jener, die Bosheit erstickt mir die Zunge und Rede; aber wir sprechen uns noch ganz anders! Sie sind der einzige Hausbewohner; vor Gericht werden Sie mir schon melden müssen, was dieser Handel zu bedeuten hat. Seien Sie nicht so böse, sagte Heinrich jetzt; wenn Ihnen an der Geschichtserzählung etwas liegt, so kann ich Ihnen auch schon jetzt damit dienen; denn allerdings erinnere ich mich jetzt, daß vormals hier eine Treppe war, auch bin ich nun eingeständig, daß ich sie verbraucht habe. Verbraucht? schrie der Alte und stampfte mit den Füßen; meine Treppe? Sie reißen mir mein Haus ein? Bewahre, sagte Heinrich, Sie übertreiben in der Leidenschaft; Ihr Zimmer unten ist unbeschädigt, so steht das unsre hier oben blank und unberührt, nur diese arme Leiter für Emporkömmlinge, diese Unterstützungsanstalt für schwache Beine, dieses Hülfsmittel und diese Eselsbrücke für langweilige Besuche und schlechte Menschen, diese Verbindung für lästige Eindringlinge, diese ist durch meine Anstalt und Bemühung, ja schwere Anstrengung, allerdings verschwunden. Aber diese Treppe, schrie Emmerich hinauf, mit ihrer kostbaren, unverwüstlichen Lehne, mit diesem eichenen Geländer, diese zwei und zwanzig breiten, starken, aus, daß ich von Allem, was nicht in meinem Zimmer vorgeht, gar keine Notiz nehme. Ich studire und arbeite, und kümmre mich um alles Andre gar nicht. Wir sprechen uns, Herr Brand, rief Jener, die Bosheit erstickt mir die Zunge und Rede; aber wir sprechen uns noch ganz anders! Sie sind der einzige Hausbewohner; vor Gericht werden Sie mir schon melden müssen, was dieser Handel zu bedeuten hat. Seien Sie nicht so böse, sagte Heinrich jetzt; wenn Ihnen an der Geschichtserzählung etwas liegt, so kann ich Ihnen auch schon jetzt damit dienen; denn allerdings erinnere ich mich jetzt, daß vormals hier eine Treppe war, auch bin ich nun eingeständig, daß ich sie verbraucht habe. Verbraucht? schrie der Alte und stampfte mit den Füßen; meine Treppe? Sie reißen mir mein Haus ein? Bewahre, sagte Heinrich, Sie übertreiben in der Leidenschaft; Ihr Zimmer unten ist unbeschädigt, so steht das unsre hier oben blank und unberührt, nur diese arme Leiter für Emporkömmlinge, diese Unterstützungsanstalt für schwache Beine, dieses Hülfsmittel und diese Eselsbrücke für langweilige Besuche und schlechte Menschen, diese Verbindung für lästige Eindringlinge, diese ist durch meine Anstalt und Bemühung, ja schwere Anstrengung, allerdings verschwunden. Aber diese Treppe, schrie Emmerich hinauf, mit ihrer kostbaren, unverwüstlichen Lehne, mit diesem eichenen Geländer, diese zwei und zwanzig breiten, starken, <TEI> <text> <body> <div n="4"> <p><pb facs="#f0073"/> aus, daß ich von Allem, was nicht in meinem Zimmer vorgeht, gar keine Notiz nehme. Ich studire und arbeite, und kümmre mich um alles Andre gar nicht.</p><lb/> <p>Wir sprechen uns, Herr Brand, rief Jener, die Bosheit erstickt mir die Zunge und Rede; aber wir sprechen uns noch ganz anders! Sie sind der einzige Hausbewohner; vor Gericht werden Sie mir schon melden müssen, was dieser Handel zu bedeuten hat.</p><lb/> <p>Seien Sie nicht so böse, sagte Heinrich jetzt; wenn Ihnen an der Geschichtserzählung etwas liegt, so kann ich Ihnen auch schon jetzt damit dienen; denn allerdings erinnere ich mich jetzt, daß vormals hier eine Treppe war, auch bin ich nun eingeständig, daß ich sie verbraucht habe.</p><lb/> <p>Verbraucht? schrie der Alte und stampfte mit den Füßen; meine Treppe? Sie reißen mir mein Haus ein?</p><lb/> <p>Bewahre, sagte Heinrich, Sie übertreiben in der Leidenschaft; Ihr Zimmer unten ist unbeschädigt, so steht das unsre hier oben blank und unberührt, nur diese arme Leiter für Emporkömmlinge, diese Unterstützungsanstalt für schwache Beine, dieses Hülfsmittel und diese Eselsbrücke für langweilige Besuche und schlechte Menschen, diese Verbindung für lästige Eindringlinge, diese ist durch meine Anstalt und Bemühung, ja schwere Anstrengung, allerdings verschwunden.</p><lb/> <p>Aber diese Treppe, schrie Emmerich hinauf, mit ihrer kostbaren, unverwüstlichen Lehne, mit diesem eichenen Geländer, diese zwei und zwanzig breiten, starken,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
aus, daß ich von Allem, was nicht in meinem Zimmer vorgeht, gar keine Notiz nehme. Ich studire und arbeite, und kümmre mich um alles Andre gar nicht.
Wir sprechen uns, Herr Brand, rief Jener, die Bosheit erstickt mir die Zunge und Rede; aber wir sprechen uns noch ganz anders! Sie sind der einzige Hausbewohner; vor Gericht werden Sie mir schon melden müssen, was dieser Handel zu bedeuten hat.
Seien Sie nicht so böse, sagte Heinrich jetzt; wenn Ihnen an der Geschichtserzählung etwas liegt, so kann ich Ihnen auch schon jetzt damit dienen; denn allerdings erinnere ich mich jetzt, daß vormals hier eine Treppe war, auch bin ich nun eingeständig, daß ich sie verbraucht habe.
Verbraucht? schrie der Alte und stampfte mit den Füßen; meine Treppe? Sie reißen mir mein Haus ein?
Bewahre, sagte Heinrich, Sie übertreiben in der Leidenschaft; Ihr Zimmer unten ist unbeschädigt, so steht das unsre hier oben blank und unberührt, nur diese arme Leiter für Emporkömmlinge, diese Unterstützungsanstalt für schwache Beine, dieses Hülfsmittel und diese Eselsbrücke für langweilige Besuche und schlechte Menschen, diese Verbindung für lästige Eindringlinge, diese ist durch meine Anstalt und Bemühung, ja schwere Anstrengung, allerdings verschwunden.
Aber diese Treppe, schrie Emmerich hinauf, mit ihrer kostbaren, unverwüstlichen Lehne, mit diesem eichenen Geländer, diese zwei und zwanzig breiten, starken,
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/73>, abgerufen am 17.02.2025. |