Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.denke dich auch so in der Zucht zu halten, daß du nie auf dergleichen Laster gerathen sollst. Nun aber weiter in deinem Traum! Ich hatte mich denn auch, fuhr Heinrich fort, nicht ohne Noth vor dieser Auction geängstigt, denn wie es im Traum zu gehen pflegt, war ich plötzlich in dem Saal der Versteigerung, und wie ich zu meinem Erschrecken sah, gehörte ich zu den Sachen, die öffentlich ausgeboten werden sollten. Clara lachte wieder. O, das ist hübsch, rief sie aus. Das wäre ein ganz neues Mittel, unter die Leute zu kommen. Ich fand es gar nicht erfreulich, antwortete der Mann. Es lagen und standen da allerhand alte Sachen und Möbeln umher, dazwischen saßen alte Weiber, Tagediebe, elende Schriftsteller, Libellisten, verdorbene Studenten und Komödianten: Alles dies sollte nun heut dem Meistbietenden zugeschlagen werden, und ich war mitten unter diesen verstäubten Alterthümlichkeiten. Im Saale saßen manche von meinen Bekannten, und einige von diesen betrachteten die ausgestellten Sachen und Menschen mit Kennerblicken. Ich war unendlich beschämt. Endlich kam der Auctionator, und ich erschrak, als wenn ich zur Hinrichtung geführt würde. Der ernsthafte Mann setzte sich, räusperte und begann sein Amt damit, daß er zuerst nach mir griff, um mich auszubieten. Er stellte mich vor sich hin denke dich auch so in der Zucht zu halten, daß du nie auf dergleichen Laster gerathen sollst. Nun aber weiter in deinem Traum! Ich hatte mich denn auch, fuhr Heinrich fort, nicht ohne Noth vor dieser Auction geängstigt, denn wie es im Traum zu gehen pflegt, war ich plötzlich in dem Saal der Versteigerung, und wie ich zu meinem Erschrecken sah, gehörte ich zu den Sachen, die öffentlich ausgeboten werden sollten. Clara lachte wieder. O, das ist hübsch, rief sie aus. Das wäre ein ganz neues Mittel, unter die Leute zu kommen. Ich fand es gar nicht erfreulich, antwortete der Mann. Es lagen und standen da allerhand alte Sachen und Möbeln umher, dazwischen saßen alte Weiber, Tagediebe, elende Schriftsteller, Libellisten, verdorbene Studenten und Komödianten: Alles dies sollte nun heut dem Meistbietenden zugeschlagen werden, und ich war mitten unter diesen verstäubten Alterthümlichkeiten. Im Saale saßen manche von meinen Bekannten, und einige von diesen betrachteten die ausgestellten Sachen und Menschen mit Kennerblicken. Ich war unendlich beschämt. Endlich kam der Auctionator, und ich erschrak, als wenn ich zur Hinrichtung geführt würde. Der ernsthafte Mann setzte sich, räusperte und begann sein Amt damit, daß er zuerst nach mir griff, um mich auszubieten. Er stellte mich vor sich hin <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047"/> denke dich auch so in der Zucht zu halten, daß du nie auf dergleichen Laster gerathen sollst. Nun aber weiter in deinem Traum!</p><lb/> <p>Ich hatte mich denn auch, fuhr Heinrich fort, nicht ohne Noth vor dieser Auction geängstigt, denn wie es im Traum zu gehen pflegt, war ich plötzlich in dem Saal der Versteigerung, und wie ich zu meinem Erschrecken sah, gehörte ich zu den Sachen, die öffentlich ausgeboten werden sollten.</p><lb/> <p>Clara lachte wieder. O, das ist hübsch, rief sie aus. Das wäre ein ganz neues Mittel, unter die Leute zu kommen.</p><lb/> <p>Ich fand es gar nicht erfreulich, antwortete der Mann. Es lagen und standen da allerhand alte Sachen und Möbeln umher, dazwischen saßen alte Weiber, Tagediebe, elende Schriftsteller, Libellisten, verdorbene Studenten und Komödianten: Alles dies sollte nun heut dem Meistbietenden zugeschlagen werden, und ich war mitten unter diesen verstäubten Alterthümlichkeiten. Im Saale saßen manche von meinen Bekannten, und einige von diesen betrachteten die ausgestellten Sachen und Menschen mit Kennerblicken. Ich war unendlich beschämt. Endlich kam der Auctionator, und ich erschrak, als wenn ich zur Hinrichtung geführt würde.</p><lb/> <p>Der ernsthafte Mann setzte sich, räusperte und begann sein Amt damit, daß er zuerst nach mir griff, um mich auszubieten. Er stellte mich vor sich hin<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
denke dich auch so in der Zucht zu halten, daß du nie auf dergleichen Laster gerathen sollst. Nun aber weiter in deinem Traum!
Ich hatte mich denn auch, fuhr Heinrich fort, nicht ohne Noth vor dieser Auction geängstigt, denn wie es im Traum zu gehen pflegt, war ich plötzlich in dem Saal der Versteigerung, und wie ich zu meinem Erschrecken sah, gehörte ich zu den Sachen, die öffentlich ausgeboten werden sollten.
Clara lachte wieder. O, das ist hübsch, rief sie aus. Das wäre ein ganz neues Mittel, unter die Leute zu kommen.
Ich fand es gar nicht erfreulich, antwortete der Mann. Es lagen und standen da allerhand alte Sachen und Möbeln umher, dazwischen saßen alte Weiber, Tagediebe, elende Schriftsteller, Libellisten, verdorbene Studenten und Komödianten: Alles dies sollte nun heut dem Meistbietenden zugeschlagen werden, und ich war mitten unter diesen verstäubten Alterthümlichkeiten. Im Saale saßen manche von meinen Bekannten, und einige von diesen betrachteten die ausgestellten Sachen und Menschen mit Kennerblicken. Ich war unendlich beschämt. Endlich kam der Auctionator, und ich erschrak, als wenn ich zur Hinrichtung geführt würde.
Der ernsthafte Mann setzte sich, räusperte und begann sein Amt damit, daß er zuerst nach mir griff, um mich auszubieten. Er stellte mich vor sich hin
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/47>, abgerufen am 16.07.2024. |