Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.Mondscheinlied. Träuft vom Himmel der kühle Thau Thun die Blumen die Kelche zu, Spätroth sieht scheidend nach der Au, Flüstern die Pappeln, sinkt nieder die nächt'ge Ruh'. Kommen und gehn die Schatten Wolken bleiben noch spät auf Und ziehn mit schwerem, unbeholfnem Lauf Über die erfrischten Matten. Kommen die Sterne und schwinden wieder Bllcken winkend und flüchtig nieder, Wohnt im Wald die Dunkelheit Dehnt sich Finster weit und breit. Hinter'm Wasser wie flimmende Flammen, Berggipfel oben mit Gold beschienen, Neigen rauschend und ernst die grünen Gebüsche die blinkenden Häupter zusammen. Welle, rollst Du herauf den Schein
Des Mondes rund freundlich Angesicht? Es merkt's und freudig bewegt sich der Hain Streckt die Zweig' entgegen dem Zauberlicht. Mondſcheinlied. Träuft vom Himmel der kühle Thau Thun die Blumen die Kelche zu, Spätroth ſieht ſcheidend nach der Au, Flüſtern die Pappeln, ſinkt nieder die nächt'ge Ruh'. Kommen und gehn die Schatten Wolken bleiben noch ſpät auf Und ziehn mit ſchwerem, unbeholfnem Lauf Über die erfriſchten Matten. Kommen die Sterne und ſchwinden wieder Bllcken winkend und flüchtig nieder, Wohnt im Wald die Dunkelheit Dehnt ſich Finſter weit und breit. Hinter'm Waſſer wie flimmende Flammen, Berggipfel oben mit Gold beſchienen, Neigen rauſchend und ernſt die grünen Gebüſche die blinkenden Häupter zuſammen. Welle, rollſt Du herauf den Schein
Des Mondes rund freundlich Angeſicht? Es merkt's und freudig bewegt ſich der Hain Streckt die Zweig' entgegen dem Zauberlicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0099" n="91"/> <hi rendition="#g">Mondſcheinlied.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Träuft vom Himmel der kühle Thau</l><lb/> <l>Thun die Blumen die Kelche zu,</l><lb/> <l>Spätroth ſieht ſcheidend nach der Au,</l><lb/> <l>Flüſtern die Pappeln, ſinkt nieder die nächt'ge Ruh'.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Kommen und gehn die Schatten</l><lb/> <l>Wolken bleiben noch ſpät auf</l><lb/> <l>Und ziehn mit ſchwerem, unbeholfnem Lauf</l><lb/> <l>Über die erfriſchten Matten.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Kommen die Sterne und ſchwinden wieder</l><lb/> <l>Bllcken winkend und flüchtig nieder,</l><lb/> <l>Wohnt im Wald die Dunkelheit</l><lb/> <l>Dehnt ſich Finſter weit und breit.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Hinter'm Waſſer wie flimmende Flammen,</l><lb/> <l>Berggipfel oben mit Gold beſchienen,</l><lb/> <l>Neigen rauſchend und ernſt die grünen</l><lb/> <l>Gebüſche die blinkenden Häupter zuſammen.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Welle, rollſt Du herauf den Schein</l><lb/> <l>Des Mondes rund freundlich Angeſicht?</l><lb/> <l>Es merkt's und freudig bewegt ſich der Hain</l><lb/> <l>Streckt die Zweig' entgegen dem Zauberlicht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0099]
Mondſcheinlied.
Träuft vom Himmel der kühle Thau
Thun die Blumen die Kelche zu,
Spätroth ſieht ſcheidend nach der Au,
Flüſtern die Pappeln, ſinkt nieder die nächt'ge Ruh'.
Kommen und gehn die Schatten
Wolken bleiben noch ſpät auf
Und ziehn mit ſchwerem, unbeholfnem Lauf
Über die erfriſchten Matten.
Kommen die Sterne und ſchwinden wieder
Bllcken winkend und flüchtig nieder,
Wohnt im Wald die Dunkelheit
Dehnt ſich Finſter weit und breit.
Hinter'm Waſſer wie flimmende Flammen,
Berggipfel oben mit Gold beſchienen,
Neigen rauſchend und ernſt die grünen
Gebüſche die blinkenden Häupter zuſammen.
Welle, rollſt Du herauf den Schein
Des Mondes rund freundlich Angeſicht?
Es merkt's und freudig bewegt ſich der Hain
Streckt die Zweig' entgegen dem Zauberlicht.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/99>, abgerufen am 16.07.2024. |