Es kann seyn, daß Ihr Recht habt, antworteten einige, ein Weinlied nun gar, das nichts als die reinste Fröhlichkeit ath¬ men soll, kann eines Schlusses am ersten entbehren.
Wie Ihr nun wieder sprecht! rief Flo¬ restan im tollen Muthe, indem er sich ha¬ stig rund herumdrehte. Ohne Schluß, ohne Endschaft ist kein Genuß, kein Ergötzen durchaus nicht möglich. Wenn ich einen Baumgang hinuntergehe, sey er noch so schön, so muß ich doch an den letzten Baum kommen können, um stillzustehen und zu denken: dort bin ich gegangen. Im Leben wären Liebe, Freude und Entzücken Quaa¬ len, wenn sie unaufhörlich wären; daß sie Vergangenheit seyn können, macht das zu¬ künftige Glück wieder möglich, ja, zu je¬
Winter haben, um den Frühling zu ge¬ nießen?
Es kann ſeyn, daß Ihr Recht habt, antworteten einige, ein Weinlied nun gar, das nichts als die reinſte Fröhlichkeit ath¬ men ſoll, kann eines Schluſſes am erſten entbehren.
Wie Ihr nun wieder ſprecht! rief Flo¬ reſtan im tollen Muthe, indem er ſich ha¬ ſtig rund herumdrehte. Ohne Schluß, ohne Endſchaft iſt kein Genuß, kein Ergötzen durchaus nicht möglich. Wenn ich einen Baumgang hinuntergehe, ſey er noch ſo ſchön, ſo muß ich doch an den letzten Baum kommen können, um ſtillzuſtehen und zu denken: dort bin ich gegangen. Im Leben wären Liebe, Freude und Entzücken Quaa¬ len, wenn ſie unaufhörlich wären; daß ſie Vergangenheit ſeyn können, macht das zu¬ künftige Glück wieder möglich, ja, zu je¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0079"n="71"/>
Winter haben, um den Frühling zu ge¬<lb/>
nießen?</p><lb/><p>Es kann ſeyn, daß Ihr Recht habt,<lb/>
antworteten einige, ein Weinlied nun gar,<lb/>
das nichts als die reinſte Fröhlichkeit ath¬<lb/>
men ſoll, kann eines Schluſſes am erſten<lb/>
entbehren.</p><lb/><p>Wie Ihr nun wieder ſprecht! rief Flo¬<lb/>
reſtan im tollen Muthe, indem er ſich ha¬<lb/>ſtig rund herumdrehte. Ohne Schluß, ohne<lb/>
Endſchaft iſt kein Genuß, kein Ergötzen<lb/>
durchaus nicht möglich. Wenn ich einen<lb/>
Baumgang hinuntergehe, ſey er noch ſo<lb/>ſchön, ſo muß ich doch an den letzten Baum<lb/>
kommen können, um ſtillzuſtehen und zu<lb/>
denken: dort bin ich gegangen. Im Leben<lb/>
wären Liebe, Freude und Entzücken Quaa¬<lb/>
len, wenn ſie unaufhörlich wären; daß ſie<lb/>
Vergangenheit ſeyn können, macht das zu¬<lb/>
künftige Glück wieder möglich, ja, zu je¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[71/0079]
Winter haben, um den Frühling zu ge¬
nießen?
Es kann ſeyn, daß Ihr Recht habt,
antworteten einige, ein Weinlied nun gar,
das nichts als die reinſte Fröhlichkeit ath¬
men ſoll, kann eines Schluſſes am erſten
entbehren.
Wie Ihr nun wieder ſprecht! rief Flo¬
reſtan im tollen Muthe, indem er ſich ha¬
ſtig rund herumdrehte. Ohne Schluß, ohne
Endſchaft iſt kein Genuß, kein Ergötzen
durchaus nicht möglich. Wenn ich einen
Baumgang hinuntergehe, ſey er noch ſo
ſchön, ſo muß ich doch an den letzten Baum
kommen können, um ſtillzuſtehen und zu
denken: dort bin ich gegangen. Im Leben
wären Liebe, Freude und Entzücken Quaa¬
len, wenn ſie unaufhörlich wären; daß ſie
Vergangenheit ſeyn können, macht das zu¬
künftige Glück wieder möglich, ja, zu je¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/79>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.