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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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ihn herabgebeugt, das Waldhorn phanta¬
sirte mit herzdurchdringenden Tönen, er
drückte sie an sich und küßte sie, sie schloß
sich fester an ihn, beide verloren sich im
staunenden Entzücken.

Franz wußte immer noch nicht, ob er
träume, ob alles nicht Einbildung sey. Das
Waldhorn verstummte, er sammelte sich wie¬
der. Ohne daß sie es gewollt hatten, fast oh¬
ne daß sie es wußten, hatten beide sich ihre
Liebe gestanden. -- Was denkt Ihr von
mir? sagte Marie mit einem holdseligen
Erröthen. Ich begreife es ewig nicht, aber
Ihr seyd mir wie ein längstgekannter Freund,
Ihr seyd mir nicht fremde.

Ist unsre eigne Seele, ist unser Herz
uns fremd? rief Sternbald aus. Nein, von
diesem Augenblicke an erst beginnt mein Le¬
ben, o, es ist so wunderbar und doch so
wahr. Warum wollen wir's begreifen? --

ihn herabgebeugt, das Waldhorn phanta¬
ſirte mit herzdurchdringenden Tönen, er
drückte ſie an ſich und küßte ſie, ſie ſchloß
ſich feſter an ihn, beide verloren ſich im
ſtaunenden Entzücken.

Franz wußte immer noch nicht, ob er
träume, ob alles nicht Einbildung ſey. Das
Waldhorn verſtummte, er ſammelte ſich wie¬
der. Ohne daß ſie es gewollt hatten, faſt oh¬
ne daß ſie es wußten, hatten beide ſich ihre
Liebe geſtanden. — Was denkt Ihr von
mir? ſagte Marie mit einem holdſeligen
Erröthen. Ich begreife es ewig nicht, aber
Ihr ſeyd mir wie ein längſtgekannter Freund,
Ihr ſeyd mir nicht fremde.

Iſt unſre eigne Seele, iſt unſer Herz
uns fremd? rief Sternbald aus. Nein, von
dieſem Augenblicke an erſt beginnt mein Le¬
ben, o, es iſt ſo wunderbar und doch ſo
wahr. Warum wollen wir's begreifen? —

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[406/0414] ihn herabgebeugt, das Waldhorn phanta¬ ſirte mit herzdurchdringenden Tönen, er drückte ſie an ſich und küßte ſie, ſie ſchloß ſich feſter an ihn, beide verloren ſich im ſtaunenden Entzücken. Franz wußte immer noch nicht, ob er träume, ob alles nicht Einbildung ſey. Das Waldhorn verſtummte, er ſammelte ſich wie¬ der. Ohne daß ſie es gewollt hatten, faſt oh¬ ne daß ſie es wußten, hatten beide ſich ihre Liebe geſtanden. — Was denkt Ihr von mir? ſagte Marie mit einem holdſeligen Erröthen. Ich begreife es ewig nicht, aber Ihr ſeyd mir wie ein längſtgekannter Freund, Ihr ſeyd mir nicht fremde. Iſt unſre eigne Seele, iſt unſer Herz uns fremd? rief Sternbald aus. Nein, von dieſem Augenblicke an erſt beginnt mein Le¬ ben, o, es iſt ſo wunderbar und doch ſo wahr. Warum wollen wir's begreifen? —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/414>, abgerufen am 23.11.2024.