zu Schulden kommen zu lassen, um nicht durch Einwürfe des kalten, richtenden Ver¬ standes seinen Zauber der Composition wie¬ der zu zerstören. Den Gegenstand gut zu wählen ist aber nicht genug, auch den Au¬ genblick seiner Handlung muß er fleißig über¬ denken, damit er den größten, interessante¬ sten heraushebe, und nicht am Ende mahle, was sich nicht darstellen läßt. Dazu muß er die Menschen kennen, er muß sein Ge¬ müth und fremde Gesinnungen beobachtet haben, um den Eindruck hervorzubringen, dann wird er mit gereinigtem Geschmacke das Bizarre vermeiden, er wird nur täu¬ schen und hinreißen, rühren aber nicht er¬ staunen wollen. Nach meinem wohlüber¬ dachten Urtheil hat noch keiner unsrer Mah¬ ler alle diese Forderungen erfüllt, und wie könnte es irgend einer, da sich noch keiner der erst genannten Studien beflissen hat? Diese
zu Schulden kommen zu laſſen, um nicht durch Einwürfe des kalten, richtenden Ver¬ ſtandes ſeinen Zauber der Compoſition wie¬ der zu zerſtören. Den Gegenſtand gut zu wählen iſt aber nicht genug, auch den Au¬ genblick ſeiner Handlung muß er fleißig über¬ denken, damit er den größten, intereſſante¬ ſten heraushebe, und nicht am Ende mahle, was ſich nicht darſtellen läßt. Dazu muß er die Menſchen kennen, er muß ſein Ge¬ müth und fremde Geſinnungen beobachtet haben, um den Eindruck hervorzubringen, dann wird er mit gereinigtem Geſchmacke das Bizarre vermeiden, er wird nur täu¬ ſchen und hinreißen, rühren aber nicht er¬ ſtaunen wollen. Nach meinem wohlüber¬ dachten Urtheil hat noch keiner unſrer Mah¬ ler alle dieſe Forderungen erfüllt, und wie könnte es irgend einer, da ſich noch keiner der erſt genannten Studien befliſſen hat? Dieſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0403"n="395"/>
zu Schulden kommen zu laſſen, um nicht<lb/>
durch Einwürfe des kalten, richtenden Ver¬<lb/>ſtandes ſeinen Zauber der Compoſition wie¬<lb/>
der zu zerſtören. Den Gegenſtand gut zu<lb/>
wählen iſt aber nicht genug, auch den Au¬<lb/>
genblick ſeiner Handlung muß er fleißig über¬<lb/>
denken, damit er den größten, intereſſante¬<lb/>ſten heraushebe, und nicht am Ende mahle,<lb/>
was ſich nicht darſtellen läßt. Dazu muß<lb/>
er die Menſchen kennen, er muß ſein Ge¬<lb/>
müth und fremde Geſinnungen beobachtet<lb/>
haben, um den Eindruck hervorzubringen,<lb/>
dann wird er mit gereinigtem Geſchmacke<lb/>
das Bizarre vermeiden, er wird nur täu¬<lb/>ſchen und hinreißen, rühren aber nicht er¬<lb/>ſtaunen wollen. Nach meinem wohlüber¬<lb/>
dachten Urtheil hat noch keiner unſrer Mah¬<lb/>
ler alle dieſe Forderungen erfüllt, und wie<lb/>
könnte es irgend einer, da ſich noch keiner der<lb/>
erſt genannten Studien befliſſen hat? Dieſe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[395/0403]
zu Schulden kommen zu laſſen, um nicht
durch Einwürfe des kalten, richtenden Ver¬
ſtandes ſeinen Zauber der Compoſition wie¬
der zu zerſtören. Den Gegenſtand gut zu
wählen iſt aber nicht genug, auch den Au¬
genblick ſeiner Handlung muß er fleißig über¬
denken, damit er den größten, intereſſante¬
ſten heraushebe, und nicht am Ende mahle,
was ſich nicht darſtellen läßt. Dazu muß
er die Menſchen kennen, er muß ſein Ge¬
müth und fremde Geſinnungen beobachtet
haben, um den Eindruck hervorzubringen,
dann wird er mit gereinigtem Geſchmacke
das Bizarre vermeiden, er wird nur täu¬
ſchen und hinreißen, rühren aber nicht er¬
ſtaunen wollen. Nach meinem wohlüber¬
dachten Urtheil hat noch keiner unſrer Mah¬
ler alle dieſe Forderungen erfüllt, und wie
könnte es irgend einer, da ſich noch keiner der
erſt genannten Studien befliſſen hat? Dieſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/403>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.