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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Wie ist es möglich, wenn man diese
Bilder gesehn hat, daß man noch vom Co¬
lorit geringschätzend sprechen kann? Wer
würde nicht von der Allmacht der Schön¬
heit besiegt werden, wenn sie sich ihm nackt
und unverhüllt, ganz in Liebe hingegeben,
zu zeigen wagte? -- Das Studium dieser
himmlischen Jugendgeister hat die große Zau¬
berei erfunden, dies und noch mehr unsern
Augen möglich zu machen.

Was die Gesänge des liebenden Petrarka
wie aus der Ferne herüberwehen, Schatten¬
bilder im Wasser, die mit den Wogen wie¬
der wegfließen, was Ariost's feuriger Ge¬
nius nur lüstern und in der Ferne zeigen
kann, wonach wir sehen und es doch nicht
entdecken können, im Walde fernab die un¬
gewissesten Spuren, die dunkeln Gebüsche
verhüllen es, so sehr wir darnach irren und
suchen; alles das steht in der allerholdselig¬

Wie iſt es möglich, wenn man dieſe
Bilder geſehn hat, daß man noch vom Co¬
lorit geringſchätzend ſprechen kann? Wer
würde nicht von der Allmacht der Schön¬
heit beſiegt werden, wenn ſie ſich ihm nackt
und unverhüllt, ganz in Liebe hingegeben,
zu zeigen wagte? — Das Studium dieſer
himmliſchen Jugendgeiſter hat die große Zau¬
berei erfunden, dies und noch mehr unſern
Augen möglich zu machen.

Was die Geſänge des liebenden Petrarka
wie aus der Ferne herüberwehen, Schatten¬
bilder im Waſſer, die mit den Wogen wie¬
der wegfließen, was Arioſt's feuriger Ge¬
nius nur lüſtern und in der Ferne zeigen
kann, wonach wir ſehen und es doch nicht
entdecken können, im Walde fernab die un¬
gewiſſeſten Spuren, die dunkeln Gebüſche
verhüllen es, ſo ſehr wir darnach irren und
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[348/0356] Wie iſt es möglich, wenn man dieſe Bilder geſehn hat, daß man noch vom Co¬ lorit geringſchätzend ſprechen kann? Wer würde nicht von der Allmacht der Schön¬ heit beſiegt werden, wenn ſie ſich ihm nackt und unverhüllt, ganz in Liebe hingegeben, zu zeigen wagte? — Das Studium dieſer himmliſchen Jugendgeiſter hat die große Zau¬ berei erfunden, dies und noch mehr unſern Augen möglich zu machen. Was die Geſänge des liebenden Petrarka wie aus der Ferne herüberwehen, Schatten¬ bilder im Waſſer, die mit den Wogen wie¬ der wegfließen, was Arioſt's feuriger Ge¬ nius nur lüſtern und in der Ferne zeigen kann, wonach wir ſehen und es doch nicht entdecken können, im Walde fernab die un¬ gewiſſeſten Spuren, die dunkeln Gebüſche verhüllen es, ſo ſehr wir darnach irren und ſuchen; alles das ſteht in der allerholdſelig¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/356>, abgerufen am 23.11.2024.