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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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rer Einkleidung, die Flucht ist ihr freier Ent¬
schluß, was geht Dich das übrige an? Und
Ludoviko wird und kann ihr nicht niedrig be¬
gegnen. -- Seit er sie kennt, ist er, möch¬
te ich sagen, durchaus verändert. Er betet
sie an, wie ein himmlisches, überirrdisches
Wesen, er will sie zu seiner Gattin machen,
und ihr die Treue seines Lebens widmen.
Aber lebe wohl, ich habe keine Zeit zu ver¬
lieren, sprich zum Bildhauer kein Wort,
ich lasse Dir den Brief, denn Du bist mein
und Ludoviko's Freund, und wir trauen Dir
beide keine Schändlichkeit zu.

Mit diesen Worten eilte Florestan fort,
und Sternbald ging zur Stadt zurück. Er
wich dem Bildhauer aus, um sich nicht zu
verrathen. Am folgenden Morgen erwartete
er mit Herzklopfen die Gelegenheit, mit der
er der schönen Nonne das Billet zustecken
könne. Sie nahm es mit Erröthen, und

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rer Einkleidung, die Flucht iſt ihr freier Ent¬
ſchluß, was geht Dich das übrige an? Und
Ludoviko wird und kann ihr nicht niedrig be¬
gegnen. — Seit er ſie kennt, iſt er, möch¬
te ich ſagen, durchaus verändert. Er betet
ſie an, wie ein himmliſches, überirrdiſches
Weſen, er will ſie zu ſeiner Gattin machen,
und ihr die Treue ſeines Lebens widmen.
Aber lebe wohl, ich habe keine Zeit zu ver¬
lieren, ſprich zum Bildhauer kein Wort,
ich laſſe Dir den Brief, denn Du biſt mein
und Ludoviko's Freund, und wir trauen Dir
beide keine Schändlichkeit zu.

Mit dieſen Worten eilte Floreſtan fort,
und Sternbald ging zur Stadt zurück. Er
wich dem Bildhauer aus, um ſich nicht zu
verrathen. Am folgenden Morgen erwartete
er mit Herzklopfen die Gelegenheit, mit der
er der ſchönen Nonne das Billet zuſtecken
könne. Sie nahm es mit Erröthen, und

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[339/0347] rer Einkleidung, die Flucht iſt ihr freier Ent¬ ſchluß, was geht Dich das übrige an? Und Ludoviko wird und kann ihr nicht niedrig be¬ gegnen. — Seit er ſie kennt, iſt er, möch¬ te ich ſagen, durchaus verändert. Er betet ſie an, wie ein himmliſches, überirrdiſches Weſen, er will ſie zu ſeiner Gattin machen, und ihr die Treue ſeines Lebens widmen. Aber lebe wohl, ich habe keine Zeit zu ver¬ lieren, ſprich zum Bildhauer kein Wort, ich laſſe Dir den Brief, denn Du biſt mein und Ludoviko's Freund, und wir trauen Dir beide keine Schändlichkeit zu. Mit dieſen Worten eilte Floreſtan fort, und Sternbald ging zur Stadt zurück. Er wich dem Bildhauer aus, um ſich nicht zu verrathen. Am folgenden Morgen erwartete er mit Herzklopfen die Gelegenheit, mit der er der ſchönen Nonne das Billet zuſtecken könne. Sie nahm es mit Erröthen, und D 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/347>, abgerufen am 24.11.2024.