Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

fühlte er Mitleid mit der Geschichte, die er
darstellte, ihn erschreckte dann der wehmü¬
thige Blick, den die Unbekannte von der
Wand herab auf ihn warf, die Thiere mit
ihren Denksprüchen rührten ihn innerlich.
Aber fast immer sehnte er sich zu einer an¬
dern Arbeit hin.

Manchmal glaubte er, daß die schöne
Nonne ihn mit Theilnahme und Rührung
betrachte, denn es schien zuweilen, als wenn
sie jeden seiner Blicke aufzuhaschen suchte,
so oft er die Augen auf sie wandte, begeg¬
nete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde
roth, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie
ein Blitz. Die Äbtissin hatte sich an einem
Morgen auf eine Weile entfernt, die übri¬
gen Nonnen waren nicht zugegen, und Stern¬
bald war gerade unten am Gemählde be¬
schäftigt, als das schöne Mädchen ihm plötz¬
[l]ich ein Papier in die Hand drückte. Er

fühlte er Mitleid mit der Geſchichte, die er
darſtellte, ihn erſchreckte dann der wehmü¬
thige Blick, den die Unbekannte von der
Wand herab auf ihn warf, die Thiere mit
ihren Denkſprüchen rührten ihn innerlich.
Aber faſt immer ſehnte er ſich zu einer an¬
dern Arbeit hin.

Manchmal glaubte er, daß die ſchöne
Nonne ihn mit Theilnahme und Rührung
betrachte, denn es ſchien zuweilen, als wenn
ſie jeden ſeiner Blicke aufzuhaſchen ſuchte,
ſo oft er die Augen auf ſie wandte, begeg¬
nete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde
roth, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie
ein Blitz. Die Äbtiſſin hatte ſich an einem
Morgen auf eine Weile entfernt, die übri¬
gen Nonnen waren nicht zugegen, und Stern¬
bald war gerade unten am Gemählde be¬
ſchäftigt, als das ſchöne Mädchen ihm plötz¬
[l]ich ein Papier in die Hand drückte. Er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0341" n="333"/>
fühlte er Mitleid mit der Ge&#x017F;chichte, die er<lb/>
dar&#x017F;tellte, ihn er&#x017F;chreckte dann der wehmü¬<lb/>
thige Blick, den die Unbekannte von der<lb/>
Wand herab auf ihn warf, die Thiere mit<lb/>
ihren Denk&#x017F;prüchen rührten ihn innerlich.<lb/>
Aber fa&#x017F;t immer &#x017F;ehnte er &#x017F;ich zu einer an¬<lb/>
dern Arbeit hin.</p><lb/>
          <p>Manchmal glaubte er, daß die &#x017F;chöne<lb/>
Nonne ihn mit Theilnahme und Rührung<lb/>
betrachte, denn es &#x017F;chien zuweilen, als wenn<lb/>
&#x017F;ie jeden &#x017F;einer Blicke aufzuha&#x017F;chen &#x017F;uchte,<lb/>
&#x017F;o oft er die Augen auf &#x017F;ie wandte, begeg¬<lb/>
nete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde<lb/>
roth, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie<lb/>
ein Blitz. Die Äbti&#x017F;&#x017F;in hatte &#x017F;ich an einem<lb/>
Morgen auf eine Weile entfernt, die übri¬<lb/>
gen Nonnen waren nicht zugegen, und Stern¬<lb/>
bald war gerade unten am Gemählde be¬<lb/>
&#x017F;chäftigt, als das &#x017F;chöne Mädchen ihm plötz¬<lb/><supplied>l</supplied>ich ein Papier in die Hand drückte. Er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0341] fühlte er Mitleid mit der Geſchichte, die er darſtellte, ihn erſchreckte dann der wehmü¬ thige Blick, den die Unbekannte von der Wand herab auf ihn warf, die Thiere mit ihren Denkſprüchen rührten ihn innerlich. Aber faſt immer ſehnte er ſich zu einer an¬ dern Arbeit hin. Manchmal glaubte er, daß die ſchöne Nonne ihn mit Theilnahme und Rührung betrachte, denn es ſchien zuweilen, als wenn ſie jeden ſeiner Blicke aufzuhaſchen ſuchte, ſo oft er die Augen auf ſie wandte, begeg¬ nete er ihrem bedeutenden Blicke. Er wurde roth, der Glanz ihrer Augen traf ihn wie ein Blitz. Die Äbtiſſin hatte ſich an einem Morgen auf eine Weile entfernt, die übri¬ gen Nonnen waren nicht zugegen, und Stern¬ bald war gerade unten am Gemählde be¬ ſchäftigt, als das ſchöne Mädchen ihm plötz¬ lich ein Papier in die Hand drückte. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/341
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/341>, abgerufen am 25.11.2024.