und färbte Genovefens dunkles Gewand. Warum sollte ein Mahler, sagte er zu sich, nicht allenthalben, auch am unwürdigen Orte, Spuren seines Daseyns lassen? Er kann allenthalben ein Monument seiner schönen Existenz schaffen, vielleicht daß doch ein sel¬ tener zarter Geist ergriffen und gerührt wird, ihm dankt, und aus den Trübseligkeiten sich eine schöne Stunde hervorsucht. Er nahm sich nehmlich vor, in dem Gesichte der Ge¬ novefa das Bildniß seiner theuren Unbekann¬ ten abzuschildern, so viel es ihm möglich war. Die Figuren wurden ihm durch die¬ sen Gedanken theurer, die Arbeit lieber.
Er suchte in seiner Wohnung das Bild¬ niß hervor, das ihm der alte Mahler gege¬ ben hatte, er sah es an, und Emma stand unwillkührlich vor seinen Augen. Sein Ge¬ müth war wunderbar beängstigt, er wußte nicht, wofür er sich entscheiden solle. Dieser
und färbte Genovefens dunkles Gewand. Warum ſollte ein Mahler, ſagte er zu ſich, nicht allenthalben, auch am unwürdigen Orte, Spuren ſeines Daſeyns laſſen? Er kann allenthalben ein Monument ſeiner ſchönen Exiſtenz ſchaffen, vielleicht daß doch ein ſel¬ tener zarter Geiſt ergriffen und gerührt wird, ihm dankt, und aus den Trübſeligkeiten ſich eine ſchöne Stunde hervorſucht. Er nahm ſich nehmlich vor, in dem Geſichte der Ge¬ novefa das Bildniß ſeiner theuren Unbekann¬ ten abzuſchildern, ſo viel es ihm möglich war. Die Figuren wurden ihm durch die¬ ſen Gedanken theurer, die Arbeit lieber.
Er ſuchte in ſeiner Wohnung das Bild¬ niß hervor, das ihm der alte Mahler gege¬ ben hatte, er ſah es an, und Emma ſtand unwillkührlich vor ſeinen Augen. Sein Ge¬ müth war wunderbar beängſtigt, er wußte nicht, wofür er ſich entſcheiden ſolle. Dieſer
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und färbte Genovefens dunkles Gewand.
Warum ſollte ein Mahler, ſagte er zu ſich,
nicht allenthalben, auch am unwürdigen Orte,
Spuren ſeines Daſeyns laſſen? Er kann
allenthalben ein Monument ſeiner ſchönen
Exiſtenz ſchaffen, vielleicht daß doch ein ſel¬
tener zarter Geiſt ergriffen und gerührt wird,
ihm dankt, und aus den Trübſeligkeiten ſich
eine ſchöne Stunde hervorſucht. Er nahm
ſich nehmlich vor, in dem Geſichte der Ge¬
novefa das Bildniß ſeiner theuren Unbekann¬
ten abzuſchildern, ſo viel es ihm möglich
war. Die Figuren wurden ihm durch die¬
ſen Gedanken theurer, die Arbeit lieber.
Er ſuchte in ſeiner Wohnung das Bild¬
niß hervor, das ihm der alte Mahler gege¬
ben hatte, er ſah es an, und Emma ſtand
unwillkührlich vor ſeinen Augen. Sein Ge¬
müth war wunderbar beängſtigt, er wußte
nicht, wofür er ſich entſcheiden ſolle. Dieſer
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/327>, abgerufen am 26.11.2024.
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