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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Leben angesehn hätten, jedes Wort des Koh¬
lenbrenners, dessen er sich nur erinnerte, war
ihm verdächtig, er erwartete es ängstlich,
wie er mit seinen Spiesgesellen wieder aus
der Thür herauskommen würde, um sie im
Schlafe umzubringen und zu plündern. Über
diese Betrachtungen schlief er ein, aber ein
fürchterlicher Traum ängstigte ihn noch mehr,
er sah die entsetzlichsten Gestalten, die selt¬
samsten Wunder, er erwachte unter drücken¬
den Beklemmungen.

Am Himmel sammelten sich Wolken,
auf die die Strahlen des Mondes fielen,
die Bäume vor der Hütte bewegten sich.
Um sich zu zerstreuen, schrieb er folgendes
in seiner Schreibtafel nieder:

Die Phantasie.

Wer ist dort der alte Mann,
In einer Ecke fest gebunden,
Daß er sich nicht rührt und regt?

Leben angeſehn hätten, jedes Wort des Koh¬
lenbrenners, deſſen er ſich nur erinnerte, war
ihm verdächtig, er erwartete es ängſtlich,
wie er mit ſeinen Spiesgeſellen wieder aus
der Thür herauskommen würde, um ſie im
Schlafe umzubringen und zu plündern. Über
dieſe Betrachtungen ſchlief er ein, aber ein
fürchterlicher Traum ängſtigte ihn noch mehr,
er ſah die entſetzlichſten Geſtalten, die ſelt¬
ſamſten Wunder, er erwachte unter drücken¬
den Beklemmungen.

Am Himmel ſammelten ſich Wolken,
auf die die Strahlen des Mondes fielen,
die Bäume vor der Hütte bewegten ſich.
Um ſich zu zerſtreuen, ſchrieb er folgendes
in ſeiner Schreibtafel nieder:

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[306/0314] Leben angeſehn hätten, jedes Wort des Koh¬ lenbrenners, deſſen er ſich nur erinnerte, war ihm verdächtig, er erwartete es ängſtlich, wie er mit ſeinen Spiesgeſellen wieder aus der Thür herauskommen würde, um ſie im Schlafe umzubringen und zu plündern. Über dieſe Betrachtungen ſchlief er ein, aber ein fürchterlicher Traum ängſtigte ihn noch mehr, er ſah die entſetzlichſten Geſtalten, die ſelt¬ ſamſten Wunder, er erwachte unter drücken¬ den Beklemmungen. Am Himmel ſammelten ſich Wolken, auf die die Strahlen des Mondes fielen, die Bäume vor der Hütte bewegten ſich. Um ſich zu zerſtreuen, ſchrieb er folgendes in ſeiner Schreibtafel nieder: Die Phantaſie. Wer iſt dort der alte Mann, In einer Ecke feſt gebunden, Daß er ſich nicht rührt und regt?

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/314>, abgerufen am 28.11.2024.