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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Aber ich verstehe Dich nicht.

Mag seyn! schloß Florestan, das Ge¬
spräch darüber ist mir jetzt zu umständlich;
wir reden wohl ein andermal davon.

Franz war ein wenig auf seinen Freund
erzürnt; denn es war nicht das erstemal,
daß sie so mit einander stritten. Florestan
betrachtete alle Gegenstände leichter und
sinnlicher; er war oft dieselbe Empfindung,
die Franz nur mit andern Worten ausdrück¬
te; es fügte sich wohl, daß Sternbald nach
einiger Zeit denselben Gedanken äußerte,
oft kam auch Rudolf später zu dem Gefühl,
dem er kurz vorher an seinem Freunde wi¬
dersprochen hatte. Wenn die Menschen Mei¬
nungen wechseln, so entsteht nur gar zu oft
ein blindes Spiel des Zufalls daraus, aus
dem Wunsche, sich mitzutheilen, entsteht die
Sucht zu streiten, und wir widersprechen

Aber ich verſtehe Dich nicht.

Mag ſeyn! ſchloß Floreſtan, das Ge¬
ſpräch darüber iſt mir jetzt zu umſtändlich;
wir reden wohl ein andermal davon.

Franz war ein wenig auf ſeinen Freund
erzürnt; denn es war nicht das erſtemal,
daß ſie ſo mit einander ſtritten. Floreſtan
betrachtete alle Gegenſtände leichter und
ſinnlicher; er war oft dieſelbe Empfindung,
die Franz nur mit andern Worten ausdrück¬
te; es fügte ſich wohl, daß Sternbald nach
einiger Zeit denſelben Gedanken äußerte,
oft kam auch Rudolf ſpäter zu dem Gefühl,
dem er kurz vorher an ſeinem Freunde wi¬
derſprochen hatte. Wenn die Menſchen Mei¬
nungen wechſeln, ſo entſteht nur gar zu oft
ein blindes Spiel des Zufalls daraus, aus
dem Wunſche, ſich mitzutheilen, entſteht die
Sucht zu ſtreiten, und wir widerſprechen

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[22/0030] Aber ich verſtehe Dich nicht. Mag ſeyn! ſchloß Floreſtan, das Ge¬ ſpräch darüber iſt mir jetzt zu umſtändlich; wir reden wohl ein andermal davon. Franz war ein wenig auf ſeinen Freund erzürnt; denn es war nicht das erſtemal, daß ſie ſo mit einander ſtritten. Floreſtan betrachtete alle Gegenſtände leichter und ſinnlicher; er war oft dieſelbe Empfindung, die Franz nur mit andern Worten ausdrück¬ te; es fügte ſich wohl, daß Sternbald nach einiger Zeit denſelben Gedanken äußerte, oft kam auch Rudolf ſpäter zu dem Gefühl, dem er kurz vorher an ſeinem Freunde wi¬ derſprochen hatte. Wenn die Menſchen Mei¬ nungen wechſeln, ſo entſteht nur gar zu oft ein blindes Spiel des Zufalls daraus, aus dem Wunſche, ſich mitzutheilen, entſteht die Sucht zu ſtreiten, und wir widerſprechen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/30>, abgerufen am 23.11.2024.