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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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sind gleichsam als die Vorbereitung, als die
Ahndung zu diesem einzig großen Manne
anzusehn: vor ihm hat noch keiner die Kunst
verstanden, noch gewußt, was er mit ihr
ausrichten soll.

Aber wie kömmt es denn, sagte Stern¬
bald, daß auch noch andre außer ihm ver¬
ehrt werden, und daß noch niemand nach
dieser Vollkommenheit gestrebt hat?

Das ist leicht einzusehn, sagte der Bild¬
hauer. Die Menge will nicht die Kunst, sie
will nicht das Ideal, sie will unterhalten
und gereizt seyn, und es versteht sich, daß
die niedrigern Geister dies weit besser in's
Werk zu richten wissen, weil sie selber mit
den Geistesbedürfnissen der Menge, der Lieb¬
haber und Unkenner vertraut sind. Sie er¬
blicken wohl gar beim ächten Künstler Man¬
gel, und glauben über seine Fehler und
Schwächen urtheilen zu können, weil er

ſind gleichſam als die Vorbereitung, als die
Ahndung zu dieſem einzig großen Manne
anzuſehn: vor ihm hat noch keiner die Kunſt
verſtanden, noch gewußt, was er mit ihr
ausrichten ſoll.

Aber wie kömmt es denn, ſagte Stern¬
bald, daß auch noch andre außer ihm ver¬
ehrt werden, und daß noch niemand nach
dieſer Vollkommenheit geſtrebt hat?

Das iſt leicht einzuſehn, ſagte der Bild¬
hauer. Die Menge will nicht die Kunſt, ſie
will nicht das Ideal, ſie will unterhalten
und gereizt ſeyn, und es verſteht ſich, daß
die niedrigern Geiſter dies weit beſſer in's
Werk zu richten wiſſen, weil ſie ſelber mit
den Geiſtesbedürfniſſen der Menge, der Lieb¬
haber und Unkenner vertraut ſind. Sie er¬
blicken wohl gar beim ächten Künſtler Man¬
gel, und glauben über ſeine Fehler und
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[290/0298] ſind gleichſam als die Vorbereitung, als die Ahndung zu dieſem einzig großen Manne anzuſehn: vor ihm hat noch keiner die Kunſt verſtanden, noch gewußt, was er mit ihr ausrichten ſoll. Aber wie kömmt es denn, ſagte Stern¬ bald, daß auch noch andre außer ihm ver¬ ehrt werden, und daß noch niemand nach dieſer Vollkommenheit geſtrebt hat? Das iſt leicht einzuſehn, ſagte der Bild¬ hauer. Die Menge will nicht die Kunſt, ſie will nicht das Ideal, ſie will unterhalten und gereizt ſeyn, und es verſteht ſich, daß die niedrigern Geiſter dies weit beſſer in's Werk zu richten wiſſen, weil ſie ſelber mit den Geiſtesbedürfniſſen der Menge, der Lieb¬ haber und Unkenner vertraut ſind. Sie er¬ blicken wohl gar beim ächten Künſtler Man¬ gel, und glauben über ſeine Fehler und Schwächen urtheilen zu können, weil er

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/298>, abgerufen am 22.11.2024.