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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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schen angefüllt, die auf das verworrene Ge¬
tümmel heruntersahen. Franz sagte zu sich
selbst: Welch' ein schönes Gemählde! und
wie wäre es möglich, es darzustellen? Wel¬
che angenehme Unordnung, die sich aber auf
keinem Bilde nachahmen läßt! Dieser ewige
Wechsel der Gestalten, dies mannichfaltige,
sich durchkreuzende Interesse, daß diese Fi¬
guren nie auch nur auf einen Augenblick in
Stillstand gerathen, ist es gerade, was es
so wunderbar schön macht. Alle Arten von
Kleidungen und Farben verirren sich durch
einander, alle Geschlechter und Alter, Men¬
schen, dicht zusammengedrängt, von denen
keiner am nächststehenden Theil nimmt, son¬
dern nur für sich selber sorgt. Jeder sucht
und holt das Gut, das er sich wünscht, mit
lachendem Muthe, als wenn die Götter plötz¬
lich ein großes Füllhorn aus den Boden
ausgeschüttet hätten, und ämsig nun diese

ſchen angefüllt, die auf das verworrene Ge¬
tümmel herunterſahen. Franz ſagte zu ſich
ſelbſt: Welch' ein ſchönes Gemählde! und
wie wäre es möglich, es darzuſtellen? Wel¬
che angenehme Unordnung, die ſich aber auf
keinem Bilde nachahmen läßt! Dieſer ewige
Wechſel der Geſtalten, dies mannichfaltige,
ſich durchkreuzende Intereſſe, daß dieſe Fi¬
guren nie auch nur auf einen Augenblick in
Stillſtand gerathen, iſt es gerade, was es
ſo wunderbar ſchön macht. Alle Arten von
Kleidungen und Farben verirren ſich durch
einander, alle Geſchlechter und Alter, Men¬
ſchen, dicht zuſammengedrängt, von denen
keiner am nächſtſtehenden Theil nimmt, ſon¬
dern nur für ſich ſelber ſorgt. Jeder ſucht
und holt das Gut, das er ſich wünſcht, mit
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[284/0292] ſchen angefüllt, die auf das verworrene Ge¬ tümmel herunterſahen. Franz ſagte zu ſich ſelbſt: Welch' ein ſchönes Gemählde! und wie wäre es möglich, es darzuſtellen? Wel¬ che angenehme Unordnung, die ſich aber auf keinem Bilde nachahmen läßt! Dieſer ewige Wechſel der Geſtalten, dies mannichfaltige, ſich durchkreuzende Intereſſe, daß dieſe Fi¬ guren nie auch nur auf einen Augenblick in Stillſtand gerathen, iſt es gerade, was es ſo wunderbar ſchön macht. Alle Arten von Kleidungen und Farben verirren ſich durch einander, alle Geſchlechter und Alter, Men¬ ſchen, dicht zuſammengedrängt, von denen keiner am nächſtſtehenden Theil nimmt, ſon¬ dern nur für ſich ſelber ſorgt. Jeder ſucht und holt das Gut, das er ſich wünſcht, mit lachendem Muthe, als wenn die Götter plötz¬ lich ein großes Füllhorn aus den Boden ausgeſchüttet hätten, und ämſig nun dieſe

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/292>, abgerufen am 25.11.2024.