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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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in Dir trägst Du in die übrigen Menschen
hinüber. Wer denkt beim Tanze etwas an¬
ders, als daß er den Reigen durchführt,
daß er sich im hüpfenden Schwarm auf eine
lebendige Art ergötzt, und in diesem fröhli¬
chen Augenblick Vergangenheit und Zukunft
durchaus vergißt. Der Tänzer sieht nach
dem blühenden Mädchen, sie nach ihm;
ihre Augen begegnen sich glänzend, und
wenn sie eine Sehnsucht empfinden, so ist
es gewiß eine ganz andre, als Du geschil¬
dert hast.

Du bist zu leichtsinnig, antwortete Franz,
es ist nicht das erstemal, daß ich es bemerke,
wie Du Dir vorsätzlich das schönere Gefühl
abläugnest, um einer sinnlichern Schwär¬
merei nachzuhängen.

Nur nicht wieder diese grellen Unterschie¬
de! rief Rudolf aus; denn das ist der ewige
Punkt unsres Streites.

in Dir trägſt Du in die übrigen Menſchen
hinüber. Wer denkt beim Tanze etwas an¬
ders, als daß er den Reigen durchführt,
daß er ſich im hüpfenden Schwarm auf eine
lebendige Art ergötzt, und in dieſem fröhli¬
chen Augenblick Vergangenheit und Zukunft
durchaus vergißt. Der Tänzer ſieht nach
dem blühenden Mädchen, ſie nach ihm;
ihre Augen begegnen ſich glänzend, und
wenn ſie eine Sehnſucht empfinden, ſo iſt
es gewiß eine ganz andre, als Du geſchil¬
dert haſt.

Du biſt zu leichtſinnig, antwortete Franz,
es iſt nicht das erſtemal, daß ich es bemerke,
wie Du Dir vorſätzlich das ſchönere Gefühl
abläugneſt, um einer ſinnlichern Schwär¬
merei nachzuhängen.

Nur nicht wieder dieſe grellen Unterſchie¬
de! rief Rudolf aus; denn das iſt der ewige
Punkt unſres Streites.

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[21/0029] in Dir trägſt Du in die übrigen Menſchen hinüber. Wer denkt beim Tanze etwas an¬ ders, als daß er den Reigen durchführt, daß er ſich im hüpfenden Schwarm auf eine lebendige Art ergötzt, und in dieſem fröhli¬ chen Augenblick Vergangenheit und Zukunft durchaus vergißt. Der Tänzer ſieht nach dem blühenden Mädchen, ſie nach ihm; ihre Augen begegnen ſich glänzend, und wenn ſie eine Sehnſucht empfinden, ſo iſt es gewiß eine ganz andre, als Du geſchil¬ dert haſt. Du biſt zu leichtſinnig, antwortete Franz, es iſt nicht das erſtemal, daß ich es bemerke, wie Du Dir vorſätzlich das ſchönere Gefühl abläugneſt, um einer ſinnlichern Schwär¬ merei nachzuhängen. Nur nicht wieder dieſe grellen Unterſchie¬ de! rief Rudolf aus; denn das iſt der ewige Punkt unſres Streites.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/29>, abgerufen am 23.11.2024.