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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Ich nahm Abschied von ihr, ich ver¬
steckte mich in die Kleidung eines Mönchs,
so streifte ich umher, und so traf ich auf je¬
nen Bildhauer Bolz, der eben aus Italien
zurückkam.

Ich glaubte in ihm einige Züge von
meinem Freunde anzutreffen, und entdeckte
ihm meine seltsame Leidenschaft. Er ward
mein Begleiter. Wie genau lernte ich nun
Laube, Haus und Garten meiner Geliebten
kennen! Wie oft saßen wir da in den Nacht¬
stunden Arm in Arm geschlungen, indem uns
der Vollmond in's Gesicht schien! In der
Kleidung eines gemeinen Bauern machte ich
auch mit den Eltern Bekanntschaft, und
schmeckte nun nach langer Zeit wieder die
Süßigkeiten meiner sonstigen Lebensweise.

Dann brach ich plötzlich wieder auf;
nicht weit von hier wohnt ein schönes Mäd¬
chen, die die Eltern dem Kloster bestimmt

Ich nahm Abſchied von ihr, ich ver¬
ſteckte mich in die Kleidung eines Mönchs,
ſo ſtreifte ich umher, und ſo traf ich auf je¬
nen Bildhauer Bolz, der eben aus Italien
zurückkam.

Ich glaubte in ihm einige Züge von
meinem Freunde anzutreffen, und entdeckte
ihm meine ſeltſame Leidenſchaft. Er ward
mein Begleiter. Wie genau lernte ich nun
Laube, Haus und Garten meiner Geliebten
kennen! Wie oft ſaßen wir da in den Nacht¬
ſtunden Arm in Arm geſchlungen, indem uns
der Vollmond in's Geſicht ſchien! In der
Kleidung eines gemeinen Bauern machte ich
auch mit den Eltern Bekanntſchaft, und
ſchmeckte nun nach langer Zeit wieder die
Süßigkeiten meiner ſonſtigen Lebensweiſe.

Dann brach ich plötzlich wieder auf;
nicht weit von hier wohnt ein ſchönes Mäd¬
chen, die die Eltern dem Kloſter beſtimmt

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[214/0222] Ich nahm Abſchied von ihr, ich ver¬ ſteckte mich in die Kleidung eines Mönchs, ſo ſtreifte ich umher, und ſo traf ich auf je¬ nen Bildhauer Bolz, der eben aus Italien zurückkam. Ich glaubte in ihm einige Züge von meinem Freunde anzutreffen, und entdeckte ihm meine ſeltſame Leidenſchaft. Er ward mein Begleiter. Wie genau lernte ich nun Laube, Haus und Garten meiner Geliebten kennen! Wie oft ſaßen wir da in den Nacht¬ ſtunden Arm in Arm geſchlungen, indem uns der Vollmond in's Geſicht ſchien! In der Kleidung eines gemeinen Bauern machte ich auch mit den Eltern Bekanntſchaft, und ſchmeckte nun nach langer Zeit wieder die Süßigkeiten meiner ſonſtigen Lebensweiſe. Dann brach ich plötzlich wieder auf; nicht weit von hier wohnt ein ſchönes Mäd¬ chen, die die Eltern dem Kloſter beſtimmt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/222>, abgerufen am 25.11.2024.