Der Künstler darf seine Bekanntschaft mit ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬ nen, daß ihm die Kunst nicht das Liebste und Beste ist, er gesteht, daß er sich nicht ganz aussprechen darf, und doch ist sein verschlossenes Innerstes gerade das, was wir von ihm begehren.
In einigen Tagen war ihre Abreise be¬ schlossen; die Gräfin hatte den versproche¬ nen Brief an die italienische Familie geschrie¬ ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬ tigkeit in seine Brieftasche legte; er zeigte ihn auch seinem Freunde nicht, sondern war sogar ungewiß, ob er ihn abgeben solle.
Es war einer der heißesten Tage gewe¬ sen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬ hölz besuchte, um sich seinen Gedanken zu überlassen. Im Walde erreichte der durch¬ fließende Bach an der schönsten Stelle eine eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort
Der Künſtler darf ſeine Bekanntſchaft mit ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬ nen, daß ihm die Kunſt nicht das Liebſte und Beſte iſt, er geſteht, daß er ſich nicht ganz ausſprechen darf, und doch iſt ſein verſchloſſenes Innerſtes gerade das, was wir von ihm begehren.
In einigen Tagen war ihre Abreiſe be¬ ſchloſſen; die Gräfin hatte den verſproche¬ nen Brief an die italieniſche Familie geſchrie¬ ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬ tigkeit in ſeine Brieftaſche legte; er zeigte ihn auch ſeinem Freunde nicht, ſondern war ſogar ungewiß, ob er ihn abgeben ſolle.
Es war einer der heißeſten Tage gewe¬ ſen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬ hölz beſuchte, um ſich ſeinen Gedanken zu überlaſſen. Im Walde erreichte der durch¬ fließende Bach an der ſchönſten Stelle eine eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0174"n="166"/>
Der Künſtler darf ſeine Bekanntſchaft mit<lb/>
ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬<lb/>
nen, daß ihm die Kunſt nicht das Liebſte<lb/>
und Beſte iſt, er geſteht, daß er ſich nicht<lb/>
ganz ausſprechen darf, und doch iſt ſein<lb/>
verſchloſſenes Innerſtes gerade das, was<lb/>
wir von ihm begehren.</p><lb/><p>In einigen Tagen war ihre Abreiſe be¬<lb/>ſchloſſen; die Gräfin hatte den verſproche¬<lb/>
nen Brief an die italieniſche Familie geſchrie¬<lb/>
ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬<lb/>
tigkeit in ſeine Brieftaſche legte; er zeigte<lb/>
ihn auch ſeinem Freunde nicht, ſondern war<lb/>ſogar ungewiß, ob er ihn abgeben ſolle.</p><lb/><p>Es war einer der heißeſten Tage gewe¬<lb/>ſen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬<lb/>
hölz beſuchte, um ſich ſeinen Gedanken zu<lb/>
überlaſſen. Im Walde erreichte der durch¬<lb/>
fließende Bach an der ſchönſten Stelle eine<lb/>
eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[166/0174]
Der Künſtler darf ſeine Bekanntſchaft mit
ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬
nen, daß ihm die Kunſt nicht das Liebſte
und Beſte iſt, er geſteht, daß er ſich nicht
ganz ausſprechen darf, und doch iſt ſein
verſchloſſenes Innerſtes gerade das, was
wir von ihm begehren.
In einigen Tagen war ihre Abreiſe be¬
ſchloſſen; die Gräfin hatte den verſproche¬
nen Brief an die italieniſche Familie geſchrie¬
ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬
tigkeit in ſeine Brieftaſche legte; er zeigte
ihn auch ſeinem Freunde nicht, ſondern war
ſogar ungewiß, ob er ihn abgeben ſolle.
Es war einer der heißeſten Tage gewe¬
ſen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬
hölz beſuchte, um ſich ſeinen Gedanken zu
überlaſſen. Im Walde erreichte der durch¬
fließende Bach an der ſchönſten Stelle eine
eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/174>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.