lichste Fuß schwebte vor mir, von der Bewe¬ gung entblößt, die frische rothe Wange dicht an der meinigen, die freundlichen Augen mir nahe gegenüber. So zogen wir über das Feld, indem sie mir ihre Herkunft und Er¬ ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬ ter, und sie sträubte sich gegen meine Küsse nicht mehr.
Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬ keit, die sie erfüllte, erlaubte mir, dreister zu seyn. Endlich kamen wir in der Nähe ihrer Behausung, sie stieg behende herunter, wir hatten schon unsre Abrede genommen. Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬ rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu sprengen. Es war ein altes, weitläuftiges Gebäude, das abseits vom übrigen Dorfe lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich trat als ein verirrter Fremdling ein, und
lichſte Fuß ſchwebte vor mir, von der Bewe¬ gung entblößt, die friſche rothe Wange dicht an der meinigen, die freundlichen Augen mir nahe gegenüber. So zogen wir über das Feld, indem ſie mir ihre Herkunft und Er¬ ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬ ter, und ſie ſträubte ſich gegen meine Küſſe nicht mehr.
Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬ keit, die ſie erfüllte, erlaubte mir, dreiſter zu ſeyn. Endlich kamen wir in der Nähe ihrer Behauſung, ſie ſtieg behende herunter, wir hatten ſchon unſre Abrede genommen. Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬ rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu ſprengen. Es war ein altes, weitläuftiges Gebäude, das abſeits vom übrigen Dorfe lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich trat als ein verirrter Fremdling ein, und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0165"n="157"/>
lichſte Fuß ſchwebte vor mir, von der Bewe¬<lb/>
gung entblößt, die friſche rothe Wange dicht<lb/>
an der meinigen, die freundlichen Augen mir<lb/>
nahe gegenüber. So zogen wir über das<lb/>
Feld, indem ſie mir ihre Herkunft und Er¬<lb/>
ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬<lb/>
ter, und ſie ſträubte ſich gegen meine Küſſe<lb/>
nicht mehr.</p><lb/><p>Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬<lb/>
keit, die ſie erfüllte, erlaubte mir, dreiſter<lb/>
zu ſeyn. Endlich kamen wir in der Nähe<lb/>
ihrer Behauſung, ſie ſtieg behende herunter,<lb/>
wir hatten ſchon unſre Abrede genommen.<lb/>
Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬<lb/>
rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer<lb/>
Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu<lb/>ſprengen. Es war ein altes, weitläuftiges<lb/>
Gebäude, das abſeits vom übrigen Dorfe<lb/>
lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich<lb/>
trat als ein verirrter Fremdling ein, und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[157/0165]
lichſte Fuß ſchwebte vor mir, von der Bewe¬
gung entblößt, die friſche rothe Wange dicht
an der meinigen, die freundlichen Augen mir
nahe gegenüber. So zogen wir über das
Feld, indem ſie mir ihre Herkunft und Er¬
ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬
ter, und ſie ſträubte ſich gegen meine Küſſe
nicht mehr.
Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬
keit, die ſie erfüllte, erlaubte mir, dreiſter
zu ſeyn. Endlich kamen wir in der Nähe
ihrer Behauſung, ſie ſtieg behende herunter,
wir hatten ſchon unſre Abrede genommen.
Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬
rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer
Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu
ſprengen. Es war ein altes, weitläuftiges
Gebäude, das abſeits vom übrigen Dorfe
lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich
trat als ein verirrter Fremdling ein, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/165>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.