Wir sind Thoren, wenn wir sie verloren wähnen: Kinder, die schreien und jammern, wenn die Eltern mit ihnen Verstecken's spielen, denn das thun die Gestorbenen nur mit uns, der kurze Augenblick zwischen Jetzt und dem Wiederfinden ist nicht zu rechnen. Und daß ich das Gleichniß vollende: so ist Freundschaft auch wohl einem Käfige gleich, ich trenne den Vogel von den übrigen, um ihn zu kennen und zu lieben, ich um¬ gebe ihn mit einem Gefängnisse, um ihn mir so recht eigentlich abzusondern. Der Freund sondert den Freund von der ganzen übrigen Welt, und hält ihn in seinen ängst¬ lichen Armen eingeschlossen; er läßt ihn nicht zurück, er soll nur für ihn so gut, so zärt¬ lich, so liebevoll seyn, die Eifersucht bewacht ihn vor jeder fremden Liebe, verlöre jener sich im Strudel der allgemeinen Welt, so wäre er auch dem Freunde verloren und ab¬
Wir ſind Thoren, wenn wir ſie verloren wähnen: Kinder, die ſchreien und jammern, wenn die Eltern mit ihnen Verſtecken's ſpielen, denn das thun die Geſtorbenen nur mit uns, der kurze Augenblick zwiſchen Jetzt und dem Wiederfinden iſt nicht zu rechnen. Und daß ich das Gleichniß vollende: ſo iſt Freundſchaft auch wohl einem Käfige gleich, ich trenne den Vogel von den übrigen, um ihn zu kennen und zu lieben, ich um¬ gebe ihn mit einem Gefängniſſe, um ihn mir ſo recht eigentlich abzuſondern. Der Freund ſondert den Freund von der ganzen übrigen Welt, und hält ihn in ſeinen ängſt¬ lichen Armen eingeſchloſſen; er läßt ihn nicht zurück, er ſoll nur für ihn ſo gut, ſo zärt¬ lich, ſo liebevoll ſeyn, die Eiferſucht bewacht ihn vor jeder fremden Liebe, verlöre jener ſich im Strudel der allgemeinen Welt, ſo wäre er auch dem Freunde verloren und ab¬
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Wir ſind Thoren, wenn wir ſie verloren
wähnen: Kinder, die ſchreien und jammern,
wenn die Eltern mit ihnen Verſtecken's
ſpielen, denn das thun die Geſtorbenen nur
mit uns, der kurze Augenblick zwiſchen Jetzt
und dem Wiederfinden iſt nicht zu rechnen.
Und daß ich das Gleichniß vollende: ſo iſt
Freundſchaft auch wohl einem Käfige gleich,
ich trenne den Vogel von den übrigen,
um ihn zu kennen und zu lieben, ich um¬
gebe ihn mit einem Gefängniſſe, um ihn
mir ſo recht eigentlich abzuſondern. Der
Freund ſondert den Freund von der ganzen
übrigen Welt, und hält ihn in ſeinen ängſt¬
lichen Armen eingeſchloſſen; er läßt ihn nicht
zurück, er ſoll nur für ihn ſo gut, ſo zärt¬
lich, ſo liebevoll ſeyn, die Eiferſucht bewacht
ihn vor jeder fremden Liebe, verlöre jener
ſich im Strudel der allgemeinen Welt, ſo
wäre er auch dem Freunde verloren und ab¬
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/135>, abgerufen am 22.11.2024.
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