Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.Der frische Morgen giebt dem Künstler Franz sang ein Morgenlied, und fühlte Der friſche Morgen giebt dem Künſtler Franz ſang ein Morgenlied, und fühlte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0048" n="37"/> <p>Der friſche Morgen giebt dem Künſtler<lb/> Stärkung und in den Strahlen des Früh¬<lb/> roths regnet Begeiſterung auf ihn herab:<lb/> Der Abend lößt und ſchmelzt ſeine Gefühle,<lb/> er weckt Ahndungen und unerklärliche Wün¬<lb/> ſche in ihm auf, er fühlt dann näher, daß<lb/> jenſeits dieſes Lebens ein andres kunſtreiche¬<lb/> res liege, und ſein inwendiger Genius ſchlägt<lb/> oft vor Sehnſucht mit den Flügeln, um ſich<lb/> frei zu machen und hineinzuſchwärmen in<lb/> das Land, das hinter den goldnen Abend¬<lb/> wolken liegt.</p><lb/> <p>Franz ſang ein Morgenlied, und fühlte<lb/> keine Müdigkeit vom geſtrigen Wege mehr,<lb/> er ſetzte mit friſchen Kräften ſeine Reiſe fort.<lb/> Das rege Geflügel ſang aus allen Gebü¬<lb/> ſchen, das bethaute Gras duftete und alle<lb/> Blätter funkelten wie Kriſtall. Er gieng<lb/> mit ſchnellen Schritten über eine ſchöne Wie¬<lb/> ſe, und das Geſchmetter der Lerchen zog<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0048]
Der friſche Morgen giebt dem Künſtler
Stärkung und in den Strahlen des Früh¬
roths regnet Begeiſterung auf ihn herab:
Der Abend lößt und ſchmelzt ſeine Gefühle,
er weckt Ahndungen und unerklärliche Wün¬
ſche in ihm auf, er fühlt dann näher, daß
jenſeits dieſes Lebens ein andres kunſtreiche¬
res liege, und ſein inwendiger Genius ſchlägt
oft vor Sehnſucht mit den Flügeln, um ſich
frei zu machen und hineinzuſchwärmen in
das Land, das hinter den goldnen Abend¬
wolken liegt.
Franz ſang ein Morgenlied, und fühlte
keine Müdigkeit vom geſtrigen Wege mehr,
er ſetzte mit friſchen Kräften ſeine Reiſe fort.
Das rege Geflügel ſang aus allen Gebü¬
ſchen, das bethaute Gras duftete und alle
Blätter funkelten wie Kriſtall. Er gieng
mit ſchnellen Schritten über eine ſchöne Wie¬
ſe, und das Geſchmetter der Lerchen zog
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/48>, abgerufen am 16.02.2025. |