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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Franz stutzte. Das Wort Ehe erweckte
überdem mancherlei Vorstellungen bei ihm.
Er sah alle die Scenen einer ruhigen Häus¬
lichkeit vor sich, Kinder die ihn umgaben,
er hörte die Gespräche seines Schwiegerva¬
ters und der Freunde, er fühlte seine frische
Jugend verschwunden und sich eingelernt in
die ernsteren Verhältnisse des Lebens; seine
wunderbaren Gefühle und Wünsche, das
zauberische Bild seiner Geliebten, alles hat¬
te Abschied genommen und sein Herz hing
an nichts mehr glühend. Es war wie ein
klarer geschäftiger Tag, der nach der Pracht
des Morgenroths erwacht; wie eine Rede
nach einem ausgeklungenen Liede. Seine
Brust war beängstigt, er wußte sich nicht
zu lassen und verließ unmuthig den lachen¬
den Florestan. Wie ist es mit dem Leben?
dachte er bei sich selber; irgend einmahl ist
dieser Taumel der Jugend doch verflogen,

Franz ſtutzte. Das Wort Ehe erweckte
überdem mancherlei Vorſtellungen bei ihm.
Er ſah alle die Scenen einer ruhigen Häus¬
lichkeit vor ſich, Kinder die ihn umgaben,
er hörte die Geſpräche ſeines Schwiegerva¬
ters und der Freunde, er fühlte ſeine friſche
Jugend verſchwunden und ſich eingelernt in
die ernſteren Verhältniſſe des Lebens; ſeine
wunderbaren Gefühle und Wünſche, das
zauberiſche Bild ſeiner Geliebten, alles hat¬
te Abſchied genommen und ſein Herz hing
an nichts mehr glühend. Es war wie ein
klarer geſchäftiger Tag, der nach der Pracht
des Morgenroths erwacht; wie eine Rede
nach einem ausgeklungenen Liede. Seine
Bruſt war beängſtigt, er wußte ſich nicht
zu laſſen und verließ unmuthig den lachen¬
den Floreſtan. Wie iſt es mit dem Leben?
dachte er bei ſich ſelber; irgend einmahl iſt
dieſer Taumel der Jugend doch verflogen,

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[358/0369] Franz ſtutzte. Das Wort Ehe erweckte überdem mancherlei Vorſtellungen bei ihm. Er ſah alle die Scenen einer ruhigen Häus¬ lichkeit vor ſich, Kinder die ihn umgaben, er hörte die Geſpräche ſeines Schwiegerva¬ ters und der Freunde, er fühlte ſeine friſche Jugend verſchwunden und ſich eingelernt in die ernſteren Verhältniſſe des Lebens; ſeine wunderbaren Gefühle und Wünſche, das zauberiſche Bild ſeiner Geliebten, alles hat¬ te Abſchied genommen und ſein Herz hing an nichts mehr glühend. Es war wie ein klarer geſchäftiger Tag, der nach der Pracht des Morgenroths erwacht; wie eine Rede nach einem ausgeklungenen Liede. Seine Bruſt war beängſtigt, er wußte ſich nicht zu laſſen und verließ unmuthig den lachen¬ den Floreſtan. Wie iſt es mit dem Leben? dachte er bei ſich ſelber; irgend einmahl iſt dieſer Taumel der Jugend doch verflogen,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/369>, abgerufen am 24.11.2024.