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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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nen. Du mußt nicht glauben, Franz, sag¬
te er, daß ich meiner Geliebten in Italien
untreu bin, oder daß ich sie vergesse, denn
das ist unmöglich, aber ich lernte diese Nie¬
derländerinn auf eine wunderliche Weise
kennen, wir wurden so schnell mit einander
bekannt, so daß mir das Andenken jener
Stunden immer theuer sein wird.

Dein frohes Gemüth ist eine glückliche
Gabe des Himmels, antwortete Franz, Dir
bleibt alles neu, und keine Freude veraltet
Dir, und Du bist mit der ganzen Welt zu¬
frieden.

Warum sollte man es nicht sein! rief
Franz aus; ist die Welt denn nicht schön,
so wie sie ist? Mir ist das ernsthafte Kla¬
gen zuwider, weil die wenigsten Menschen
wissen was sie wollen, oder was sie wün¬
schen. Sie sind blind und wollen sehn, sie
sehn, und sie wollen blind sein.

nen. Du mußt nicht glauben, Franz, ſag¬
te er, daß ich meiner Geliebten in Italien
untreu bin, oder daß ich ſie vergeſſe, denn
das iſt unmöglich, aber ich lernte dieſe Nie¬
derländerinn auf eine wunderliche Weiſe
kennen, wir wurden ſo ſchnell mit einander
bekannt, ſo daß mir das Andenken jener
Stunden immer theuer ſein wird.

Dein frohes Gemüth iſt eine glückliche
Gabe des Himmels, antwortete Franz, Dir
bleibt alles neu, und keine Freude veraltet
Dir, und Du biſt mit der ganzen Welt zu¬
frieden.

Warum ſollte man es nicht ſein! rief
Franz aus; iſt die Welt denn nicht ſchön,
ſo wie ſie iſt? Mir iſt das ernſthafte Kla¬
gen zuwider, weil die wenigſten Menſchen
wiſſen was ſie wollen, oder was ſie wün¬
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[316/0327] nen. Du mußt nicht glauben, Franz, ſag¬ te er, daß ich meiner Geliebten in Italien untreu bin, oder daß ich ſie vergeſſe, denn das iſt unmöglich, aber ich lernte dieſe Nie¬ derländerinn auf eine wunderliche Weiſe kennen, wir wurden ſo ſchnell mit einander bekannt, ſo daß mir das Andenken jener Stunden immer theuer ſein wird. Dein frohes Gemüth iſt eine glückliche Gabe des Himmels, antwortete Franz, Dir bleibt alles neu, und keine Freude veraltet Dir, und Du biſt mit der ganzen Welt zu¬ frieden. Warum ſollte man es nicht ſein! rief Franz aus; iſt die Welt denn nicht ſchön, ſo wie ſie iſt? Mir iſt das ernſthafte Kla¬ gen zuwider, weil die wenigſten Menſchen wiſſen was ſie wollen, oder was ſie wün¬ ſchen. Sie ſind blind und wollen ſehn, ſie ſehn, und ſie wollen blind ſein.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/327>, abgerufen am 24.11.2024.