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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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men waren fröhlich. Sie standen beide und
sahen in die erfrischte Welt hinaus, und
die Pilgerinn lehnte sich an Ferdinands
Schulter. Da war es ihm, als wenn sich
ihm alle Sinne aufthäten, als wenn auch
aus seinem Gemüthe die drückende Schwüle
fortzöge, denn er erkannte nun das liebe
Gesicht, das ihm so vertraulich nahe war;
es war das Original jenes Gemähldes, das
er mit so heftiger Sehnsucht gesucht hatte.
So freut sich der Durstende, wenn er lange
schmachtend in der heißen Wüste umherirrte,
und nun den Quell in seiner Nähe rieseln
hört; so der verirrte Wandersmann, der
nun endlich am späten Abend die Klocken
der Heerden vernimmt, das abendliche Ge¬
töse des nahen Dorfes, und dem nun von
allen Menschen ein alter Herzensfreund zu¬
erst entgegen tritt.

Ferdinand zog das Gemählde hervor,

men waren fröhlich. Sie ſtanden beide und
ſahen in die erfriſchte Welt hinaus, und
die Pilgerinn lehnte ſich an Ferdinands
Schulter. Da war es ihm, als wenn ſich
ihm alle Sinne aufthäten, als wenn auch
aus ſeinem Gemüthe die drückende Schwüle
fortzöge, denn er erkannte nun das liebe
Geſicht, das ihm ſo vertraulich nahe war;
es war das Original jenes Gemähldes, das
er mit ſo heftiger Sehnſucht geſucht hatte.
So freut ſich der Durſtende, wenn er lange
ſchmachtend in der heißen Wüſte umherirrte,
und nun den Quell in ſeiner Nähe rieſeln
hört; ſo der verirrte Wandersmann, der
nun endlich am ſpäten Abend die Klocken
der Heerden vernimmt, das abendliche Ge¬
töſe des nahen Dorfes, und dem nun von
allen Menſchen ein alter Herzensfreund zu¬
erſt entgegen tritt.

Ferdinand zog das Gemählde hervor,

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[301/0312] men waren fröhlich. Sie ſtanden beide und ſahen in die erfriſchte Welt hinaus, und die Pilgerinn lehnte ſich an Ferdinands Schulter. Da war es ihm, als wenn ſich ihm alle Sinne aufthäten, als wenn auch aus ſeinem Gemüthe die drückende Schwüle fortzöge, denn er erkannte nun das liebe Geſicht, das ihm ſo vertraulich nahe war; es war das Original jenes Gemähldes, das er mit ſo heftiger Sehnſucht geſucht hatte. So freut ſich der Durſtende, wenn er lange ſchmachtend in der heißen Wüſte umherirrte, und nun den Quell in ſeiner Nähe rieſeln hört; ſo der verirrte Wandersmann, der nun endlich am ſpäten Abend die Klocken der Heerden vernimmt, das abendliche Ge¬ töſe des nahen Dorfes, und dem nun von allen Menſchen ein alter Herzensfreund zu¬ erſt entgegen tritt. Ferdinand zog das Gemählde hervor,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/312>, abgerufen am 27.11.2024.