diger; ich weiß nicht, ob Du an mich mit denselben Empfindungen denkst. Wann die Blumen des Frühlings wiederkommen, bist Du noch weiter von mir entfernt, und da¬ bei weiß ich nicht einmahl zuverlässig, ob ich Dich auch wiedersehe. Wie mühevoll und wie leer ist unser menschliches Leben! ich lese jetzt Deine Briefe zu wiederholten mah¬ len, und mich dünkt, als wenn ich sie nun besser verstände; wenigstens bin ich jetzt noch mehr Deiner Meinung. Ich kann nicht mahlen, und darum lese ich auch wohl jetzt in Büchern fleißiger als ich sonst that, und ich lerne manches Neue, und Manches das ich schon wußte, erscheint mir wieder neu. Übel ist es, daß es dem Menschen oft so schwer ankömmt, selbst das Einfältigste recht ordentlich zu verstehn, wie es gemeint seyn muß, denn seine jedesmahlige Lebens¬ art, seine augenblicklichen Gedanken hindern
diger; ich weiß nicht, ob Du an mich mit denſelben Empfindungen denkſt. Wann die Blumen des Frühlings wiederkommen, biſt Du noch weiter von mir entfernt, und da¬ bei weiß ich nicht einmahl zuverläſſig, ob ich Dich auch wiederſehe. Wie mühevoll und wie leer iſt unſer menſchliches Leben! ich leſe jetzt Deine Briefe zu wiederholten mah¬ len, und mich dünkt, als wenn ich ſie nun beſſer verſtände; wenigſtens bin ich jetzt noch mehr Deiner Meinung. Ich kann nicht mahlen, und darum leſe ich auch wohl jetzt in Büchern fleißiger als ich ſonſt that, und ich lerne manches Neue, und Manches das ich ſchon wußte, erſcheint mir wieder neu. Übel iſt es, daß es dem Menſchen oft ſo ſchwer ankömmt, ſelbſt das Einfältigſte recht ordentlich zu verſtehn, wie es gemeint ſeyn muß, denn ſeine jedesmahlige Lebens¬ art, ſeine augenblicklichen Gedanken hindern
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[242 [244]/0255]
diger; ich weiß nicht, ob Du an mich mit
denſelben Empfindungen denkſt. Wann die
Blumen des Frühlings wiederkommen, biſt
Du noch weiter von mir entfernt, und da¬
bei weiß ich nicht einmahl zuverläſſig, ob
ich Dich auch wiederſehe. Wie mühevoll
und wie leer iſt unſer menſchliches Leben! ich
leſe jetzt Deine Briefe zu wiederholten mah¬
len, und mich dünkt, als wenn ich ſie nun
beſſer verſtände; wenigſtens bin ich jetzt noch
mehr Deiner Meinung. Ich kann nicht
mahlen, und darum leſe ich auch wohl jetzt
in Büchern fleißiger als ich ſonſt that, und
ich lerne manches Neue, und Manches das
ich ſchon wußte, erſcheint mir wieder neu.
Übel iſt es, daß es dem Menſchen oft ſo
ſchwer ankömmt, ſelbſt das Einfältigſte
recht ordentlich zu verſtehn, wie es gemeint
ſeyn muß, denn ſeine jedesmahlige Lebens¬
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 242 [244]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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