Himmel ein gelassenes Blut geschenkt, und darum werde ich niemals ungeduldig. Ich fange immer wieder etwas Neues an, und kehre immer wieder zum Alten zurück. Wenn ich etwas Großes mahle, so befällt mich ge¬ wöhnlich nachher das Gelüst, etwas recht Kleines und Zierliches in Holz zu schnitzeln, und ich kann nachher Tagelang sitzen, um die kleine Arbeit aus der Stelle zu fördern. Eben so geht es mir mit meinen Kupfersti¬ chen. Je mehr Mühe ich darauf verwende, je lieber sind sie mir. Dann suche ich wie¬ der freyer und schneller zu arbeiten, und so wechsele ich in allerhand Manieren ab, und jede bleibt mir etwas Neues. Die Liebe zum Fleiß und zur Mühseligkeit scheint mir überdies etwas zu seyn, was uns Deutschen angebohren ist; es ist gleichsam unser Element, in dem wir uns immer wohl¬ befinden. Alle Kunstwerke die Nürnberg
Himmel ein gelaſſenes Blut geſchenkt, und darum werde ich niemals ungeduldig. Ich fange immer wieder etwas Neues an, und kehre immer wieder zum Alten zurück. Wenn ich etwas Großes mahle, ſo befällt mich ge¬ wöhnlich nachher das Gelüſt, etwas recht Kleines und Zierliches in Holz zu ſchnitzeln, und ich kann nachher Tagelang ſitzen, um die kleine Arbeit aus der Stelle zu fördern. Eben ſo geht es mir mit meinen Kupferſti¬ chen. Je mehr Mühe ich darauf verwende, je lieber ſind ſie mir. Dann ſuche ich wie¬ der freyer und ſchneller zu arbeiten, und ſo wechſele ich in allerhand Manieren ab, und jede bleibt mir etwas Neues. Die Liebe zum Fleiß und zur Mühſeligkeit ſcheint mir überdies etwas zu ſeyn, was uns Deutſchen angebohren iſt; es iſt gleichſam unſer Element, in dem wir uns immer wohl¬ befinden. Alle Kunſtwerke die Nürnberg
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0244"n="233"/>
Himmel ein gelaſſenes Blut geſchenkt, und<lb/>
darum werde ich niemals ungeduldig. Ich<lb/>
fange immer wieder etwas Neues an, und<lb/>
kehre immer wieder zum Alten zurück. Wenn<lb/>
ich etwas Großes mahle, ſo befällt mich ge¬<lb/>
wöhnlich nachher das Gelüſt, etwas recht<lb/>
Kleines und Zierliches in Holz zu ſchnitzeln,<lb/>
und ich kann nachher Tagelang ſitzen, um<lb/>
die kleine Arbeit aus der Stelle zu fördern.<lb/>
Eben ſo geht es mir mit meinen Kupferſti¬<lb/>
chen. Je mehr Mühe ich darauf verwende,<lb/>
je lieber ſind ſie mir. Dann ſuche ich wie¬<lb/>
der freyer und ſchneller zu arbeiten, und ſo<lb/>
wechſele ich in allerhand Manieren ab, und<lb/>
jede bleibt mir etwas Neues. Die Liebe<lb/>
zum Fleiß und zur Mühſeligkeit ſcheint<lb/>
mir überdies etwas zu ſeyn, was uns<lb/>
Deutſchen angebohren iſt; es iſt gleichſam<lb/>
unſer Element, in dem wir uns immer wohl¬<lb/>
befinden. Alle Kunſtwerke die Nürnberg<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[233/0244]
Himmel ein gelaſſenes Blut geſchenkt, und
darum werde ich niemals ungeduldig. Ich
fange immer wieder etwas Neues an, und
kehre immer wieder zum Alten zurück. Wenn
ich etwas Großes mahle, ſo befällt mich ge¬
wöhnlich nachher das Gelüſt, etwas recht
Kleines und Zierliches in Holz zu ſchnitzeln,
und ich kann nachher Tagelang ſitzen, um
die kleine Arbeit aus der Stelle zu fördern.
Eben ſo geht es mir mit meinen Kupferſti¬
chen. Je mehr Mühe ich darauf verwende,
je lieber ſind ſie mir. Dann ſuche ich wie¬
der freyer und ſchneller zu arbeiten, und ſo
wechſele ich in allerhand Manieren ab, und
jede bleibt mir etwas Neues. Die Liebe
zum Fleiß und zur Mühſeligkeit ſcheint
mir überdies etwas zu ſeyn, was uns
Deutſchen angebohren iſt; es iſt gleichſam
unſer Element, in dem wir uns immer wohl¬
befinden. Alle Kunſtwerke die Nürnberg
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/244>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.