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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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So bist Du es gewesen mein Genius,
mein schützender Engel? rief er aus: Du
bist mir wieder vorübergegangen und ich
kann mich nicht finden, ich kann mich nicht
zufrieden geben. Auf diesem Platze hier
sind diese Blumen gewachsen, schon vierzehn
Sommer sind indessen über die Erde gegan¬
gen, und auf diesem Platze halte ich das
theure Geschenk wieder in meinen Händen.
O wann werd' ich Dich wiedersehn? Kann
es Zufall seyn, daß Du mir wieder begeg¬
net bist?

Es giebt Stunden, in denen das Leben
des Menschen einen gewaltsamen schnellen
Anlauf nimmt, wo die Blüthen plötzlich
aufbrechen und alles sich verändert in und
um den Menschen. Dieser Tag war für
Sternbald ein solcher; er konnte sich gar
nicht wieder erholen, er wünschte nichts,
und dürstete doch nach den wunderbarsten

So biſt Du es geweſen mein Genius,
mein ſchützender Engel? rief er aus: Du
biſt mir wieder vorübergegangen und ich
kann mich nicht finden, ich kann mich nicht
zufrieden geben. Auf dieſem Platze hier
ſind dieſe Blumen gewachſen, ſchon vierzehn
Sommer ſind indeſſen über die Erde gegan¬
gen, und auf dieſem Platze halte ich das
theure Geſchenk wieder in meinen Händen.
O wann werd' ich Dich wiederſehn? Kann
es Zufall ſeyn, daß Du mir wieder begeg¬
net biſt?

Es giebt Stunden, in denen das Leben
des Menſchen einen gewaltſamen ſchnellen
Anlauf nimmt, wo die Blüthen plötzlich
aufbrechen und alles ſich verändert in und
um den Menſchen. Dieſer Tag war für
Sternbald ein ſolcher; er konnte ſich gar
nicht wieder erholen, er wünſchte nichts,
und dürſtete doch nach den wunderbarſten

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[137/0148] So biſt Du es geweſen mein Genius, mein ſchützender Engel? rief er aus: Du biſt mir wieder vorübergegangen und ich kann mich nicht finden, ich kann mich nicht zufrieden geben. Auf dieſem Platze hier ſind dieſe Blumen gewachſen, ſchon vierzehn Sommer ſind indeſſen über die Erde gegan¬ gen, und auf dieſem Platze halte ich das theure Geſchenk wieder in meinen Händen. O wann werd' ich Dich wiederſehn? Kann es Zufall ſeyn, daß Du mir wieder begeg¬ net biſt? Es giebt Stunden, in denen das Leben des Menſchen einen gewaltſamen ſchnellen Anlauf nimmt, wo die Blüthen plötzlich aufbrechen und alles ſich verändert in und um den Menſchen. Dieſer Tag war für Sternbald ein ſolcher; er konnte ſich gar nicht wieder erholen, er wünſchte nichts, und dürſtete doch nach den wunderbarſten

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/148>, abgerufen am 22.11.2024.