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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Unglück und Glück, das Niedre und Hohe,
alles schien ihm in diesen Augenblicken zu¬
sammenzufließen, und sich selbst nach einem
kunstmäßigen Ebenmaaße zu ordnen. Thrä¬
nen flossen ihm aus den Augen, und er war
mit sich, mit der Welt, mit allem zu¬
frieden.

Schon in Nürnberg war es oft für
Franz eine Erquickung gewesen, sich aus
dem Getümmel des Markts, und des ver¬
worrenen geräuschvollem Lebens in eine
stille Kirche zu retten; da hatte er oft ge¬
standen, und die Pfeiler, das erhabne Chor
betrachtet und das Gewühl vergessen, er
hatte es immer empfunden wie diese heilige
Einsamkeit auf jedes Gemüth gut wirken
müsse, aber noch nie hatte er diese reine,
erhabne Entzückung genossen.

Die Orgel schwieg, und man vernahm
aus der Ferne über die Wiese her das

Unglück und Glück, das Niedre und Hohe,
alles ſchien ihm in dieſen Augenblicken zu¬
ſammenzufließen, und ſich ſelbſt nach einem
kunſtmäßigen Ebenmaaße zu ordnen. Thrä¬
nen floſſen ihm aus den Augen, und er war
mit ſich, mit der Welt, mit allem zu¬
frieden.

Schon in Nürnberg war es oft für
Franz eine Erquickung geweſen, ſich aus
dem Getümmel des Markts, und des ver¬
worrenen geräuſchvollem Lebens in eine
ſtille Kirche zu retten; da hatte er oft ge¬
ſtanden, und die Pfeiler, das erhabne Chor
betrachtet und das Gewühl vergeſſen, er
hatte es immer empfunden wie dieſe heilige
Einſamkeit auf jedes Gemüth gut wirken
müſſe, aber noch nie hatte er dieſe reine,
erhabne Entzückung genoſſen.

Die Orgel ſchwieg, und man vernahm
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[133/0144] Unglück und Glück, das Niedre und Hohe, alles ſchien ihm in dieſen Augenblicken zu¬ ſammenzufließen, und ſich ſelbſt nach einem kunſtmäßigen Ebenmaaße zu ordnen. Thrä¬ nen floſſen ihm aus den Augen, und er war mit ſich, mit der Welt, mit allem zu¬ frieden. Schon in Nürnberg war es oft für Franz eine Erquickung geweſen, ſich aus dem Getümmel des Markts, und des ver¬ worrenen geräuſchvollem Lebens in eine ſtille Kirche zu retten; da hatte er oft ge¬ ſtanden, und die Pfeiler, das erhabne Chor betrachtet und das Gewühl vergeſſen, er hatte es immer empfunden wie dieſe heilige Einſamkeit auf jedes Gemüth gut wirken müſſe, aber noch nie hatte er dieſe reine, erhabne Entzückung genoſſen. Die Orgel ſchwieg, und man vernahm aus der Ferne über die Wieſe her das

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/144>, abgerufen am 23.11.2024.