Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

rück, indem ich keine Geschichte schreibe,
und alles was ich litt so wie alles was mich
beseligte.

Als es Abend geworden war, und der
rothe Schimmer bebend an den Gebüschen
hing, war seine Empfindung sanfter und
schöner geworden. Er wiederholte den Brief
Dürers in seinen Gedanken, und zeichnete
sich dabei die schönen Abendwolken in sei¬
nem Gedächtnisse ab. Er hatte sich im
Garten in eine Laube zu einem frischen
Bauermädchen gesetzt, das schon seit lange
viel und lebhaft mit ihm gesprochen hatte.
Jetzt lag das Abendroth auf ihren Wangen,
er sah sie an, sie ihn, und er hätte sie gern
geküßt; so schön kam sie ihm vor. Sie
fragte ihn, wenn er zu reisen gedächte; und
es war das erstemahl daß er ungern von
seiner Reise sprach. Ist Italien weit von
hier? fragte die unwissende Gertrud.

H 2

rück, indem ich keine Geſchichte ſchreibe,
und alles was ich litt ſo wie alles was mich
beſeligte.

Als es Abend geworden war, und der
rothe Schimmer bebend an den Gebüſchen
hing, war ſeine Empfindung ſanfter und
ſchöner geworden. Er wiederholte den Brief
Dürers in ſeinen Gedanken, und zeichnete
ſich dabei die ſchönen Abendwolken in ſei¬
nem Gedächtniſſe ab. Er hatte ſich im
Garten in eine Laube zu einem friſchen
Bauermädchen geſetzt, das ſchon ſeit lange
viel und lebhaft mit ihm geſprochen hatte.
Jetzt lag das Abendroth auf ihren Wangen,
er ſah ſie an, ſie ihn, und er hätte ſie gern
geküßt; ſo ſchön kam ſie ihm vor. Sie
fragte ihn, wenn er zu reiſen gedächte; und
es war das erſtemahl daß er ungern von
ſeiner Reiſe ſprach. Iſt Italien weit von
hier? fragte die unwiſſende Gertrud.

H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="115"/>
rück, indem ich keine Ge&#x017F;chichte &#x017F;chreibe,<lb/>
und alles was ich litt &#x017F;o wie alles was mich<lb/>
be&#x017F;eligte.</p><lb/>
            <p>Als es Abend geworden war, und der<lb/>
rothe Schimmer bebend an den Gebü&#x017F;chen<lb/>
hing, war &#x017F;eine Empfindung &#x017F;anfter und<lb/>
&#x017F;chöner geworden. Er wiederholte den Brief<lb/>
Dürers in &#x017F;einen Gedanken, und zeichnete<lb/>
&#x017F;ich dabei die &#x017F;chönen Abendwolken in &#x017F;ei¬<lb/>
nem Gedächtni&#x017F;&#x017F;e ab. Er hatte &#x017F;ich im<lb/>
Garten in eine Laube zu einem fri&#x017F;chen<lb/>
Bauermädchen ge&#x017F;etzt, das &#x017F;chon &#x017F;eit lange<lb/>
viel und lebhaft mit ihm ge&#x017F;prochen hatte.<lb/>
Jetzt lag das Abendroth auf ihren Wangen,<lb/>
er &#x017F;ah &#x017F;ie an, &#x017F;ie ihn, und er hätte &#x017F;ie gern<lb/>
geküßt; &#x017F;o &#x017F;chön kam &#x017F;ie ihm vor. Sie<lb/>
fragte ihn, wenn er zu rei&#x017F;en gedächte; und<lb/>
es war das er&#x017F;temahl daß er ungern von<lb/>
&#x017F;einer Rei&#x017F;e &#x017F;prach. I&#x017F;t Italien weit von<lb/>
hier? fragte die unwi&#x017F;&#x017F;ende Gertrud.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">H 2<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0126] rück, indem ich keine Geſchichte ſchreibe, und alles was ich litt ſo wie alles was mich beſeligte. Als es Abend geworden war, und der rothe Schimmer bebend an den Gebüſchen hing, war ſeine Empfindung ſanfter und ſchöner geworden. Er wiederholte den Brief Dürers in ſeinen Gedanken, und zeichnete ſich dabei die ſchönen Abendwolken in ſei¬ nem Gedächtniſſe ab. Er hatte ſich im Garten in eine Laube zu einem friſchen Bauermädchen geſetzt, das ſchon ſeit lange viel und lebhaft mit ihm geſprochen hatte. Jetzt lag das Abendroth auf ihren Wangen, er ſah ſie an, ſie ihn, und er hätte ſie gern geküßt; ſo ſchön kam ſie ihm vor. Sie fragte ihn, wenn er zu reiſen gedächte; und es war das erſtemahl daß er ungern von ſeiner Reiſe ſprach. Iſt Italien weit von hier? fragte die unwiſſende Gertrud. H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/126
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/126>, abgerufen am 09.11.2024.