Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweite Abtheilung.
Es ist ein schon oft glossirtes Thema, das mich
ebenfalls gereizt hat, meine Kräfte in einer mir
neuen, sehr schwierigen Gattung zu prüfen, die
besonders bei den Spaniern beliebt war. --
Er las:

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.
Glosse.
Wenn im tiefen Schmerz verloren
Alle Geister in mir klagen,
Und gerührt die Freunde fragen:
"Welch ein Leid ist Dir geboren?"
Kann ich keine Antwort sagen,
Ob sich Freuden wollen finden,
Leiden in mein Herz gewöhnen,
Geister, die sich liebend binden
Kann kein Wort niemals verkünden,
Liebe denkt in süßen Tönen.
Warum hat Gesangessüße
Immer sich von mir geschieden?
Zornig hat sie mich vermieden,
Wie ich auch die Holde grüße.
So geschieht es, daß ich büße,
Schweigen ist mir vorgeschrieben,
Und ich sagte doch so gern
Was dem Herzen sey sein Lieben,
Aber stumm bin ich geblieben,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Zweite Abtheilung.
Es iſt ein ſchon oft gloſſirtes Thema, das mich
ebenfalls gereizt hat, meine Kraͤfte in einer mir
neuen, ſehr ſchwierigen Gattung zu pruͤfen, die
beſonders bei den Spaniern beliebt war. —
Er las:

Liebe denkt in ſuͤßen Toͤnen,
Denn Gedanken ſtehn zu fern,
Nur in Toͤnen mag ſie gern
Alles, was ſie will, verſchoͤnen.
Gloſſe.
Wenn im tiefen Schmerz verloren
Alle Geiſter in mir klagen,
Und geruͤhrt die Freunde fragen:
„Welch ein Leid iſt Dir geboren?“
Kann ich keine Antwort ſagen,
Ob ſich Freuden wollen finden,
Leiden in mein Herz gewoͤhnen,
Geiſter, die ſich liebend binden
Kann kein Wort niemals verkuͤnden,
Liebe denkt in ſuͤßen Toͤnen.
Warum hat Geſangesſuͤße
Immer ſich von mir geſchieden?
Zornig hat ſie mich vermieden,
Wie ich auch die Holde gruͤße.
So geſchieht es, daß ich buͤße,
Schweigen iſt mir vorgeſchrieben,
Und ich ſagte doch ſo gern
Was dem Herzen ſey ſein Lieben,
Aber ſtumm bin ich geblieben,
Denn Gedanken ſtehn zu fern.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0533" n="523"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Es i&#x017F;t ein &#x017F;chon oft glo&#x017F;&#x017F;irtes Thema, das mich<lb/>
ebenfalls gereizt hat, meine Kra&#x0364;fte in einer mir<lb/>
neuen, &#x017F;ehr &#x017F;chwierigen Gattung zu pru&#x0364;fen, die<lb/>
be&#x017F;onders bei den Spaniern beliebt war. &#x2014;<lb/>
Er las:</p><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Liebe denkt in &#x017F;u&#x0364;ßen To&#x0364;nen,</l><lb/>
                <l>Denn Gedanken &#x017F;tehn zu fern,</l><lb/>
                <l>Nur in To&#x0364;nen mag &#x017F;ie gern</l><lb/>
                <l>Alles, was &#x017F;ie will, ver&#x017F;cho&#x0364;nen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg type="poem">
                <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Glo&#x017F;&#x017F;e</hi>.</hi> </head><lb/>
                <lg n="1">
                  <l>Wenn im tiefen Schmerz verloren</l><lb/>
                  <l>Alle Gei&#x017F;ter in mir klagen,</l><lb/>
                  <l>Und geru&#x0364;hrt die Freunde fragen:</l><lb/>
                  <l>&#x201E;Welch ein Leid i&#x017F;t Dir geboren?&#x201C;</l><lb/>
                  <l>Kann ich keine Antwort &#x017F;agen,</l><lb/>
                  <l>Ob &#x017F;ich Freuden wollen finden,</l><lb/>
                  <l>Leiden in mein Herz gewo&#x0364;hnen,</l><lb/>
                  <l>Gei&#x017F;ter, die &#x017F;ich liebend binden</l><lb/>
                  <l>Kann kein Wort niemals verku&#x0364;nden,</l><lb/>
                  <l><hi rendition="#g">Liebe denkt in &#x017F;u&#x0364;ßen To&#x0364;nen</hi>.</l>
                </lg><lb/>
                <lg n="2">
                  <l>Warum hat Ge&#x017F;anges&#x017F;u&#x0364;ße</l><lb/>
                  <l>Immer &#x017F;ich von mir ge&#x017F;chieden?</l><lb/>
                  <l>Zornig hat &#x017F;ie mich vermieden,</l><lb/>
                  <l>Wie ich auch die Holde gru&#x0364;ße.</l><lb/>
                  <l>So ge&#x017F;chieht es, daß ich bu&#x0364;ße,</l><lb/>
                  <l>Schweigen i&#x017F;t mir vorge&#x017F;chrieben,</l><lb/>
                  <l>Und ich &#x017F;agte doch &#x017F;o gern</l><lb/>
                  <l>Was dem Herzen &#x017F;ey &#x017F;ein Lieben,</l><lb/>
                  <l>Aber &#x017F;tumm bin ich geblieben,</l><lb/>
                  <l><hi rendition="#g">Denn Gedanken &#x017F;tehn zu fern</hi>.</l>
                </lg><lb/>
              </lg>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[523/0533] Zweite Abtheilung. Es iſt ein ſchon oft gloſſirtes Thema, das mich ebenfalls gereizt hat, meine Kraͤfte in einer mir neuen, ſehr ſchwierigen Gattung zu pruͤfen, die beſonders bei den Spaniern beliebt war. — Er las: Liebe denkt in ſuͤßen Toͤnen, Denn Gedanken ſtehn zu fern, Nur in Toͤnen mag ſie gern Alles, was ſie will, verſchoͤnen. Gloſſe. Wenn im tiefen Schmerz verloren Alle Geiſter in mir klagen, Und geruͤhrt die Freunde fragen: „Welch ein Leid iſt Dir geboren?“ Kann ich keine Antwort ſagen, Ob ſich Freuden wollen finden, Leiden in mein Herz gewoͤhnen, Geiſter, die ſich liebend binden Kann kein Wort niemals verkuͤnden, Liebe denkt in ſuͤßen Toͤnen. Warum hat Geſangesſuͤße Immer ſich von mir geſchieden? Zornig hat ſie mich vermieden, Wie ich auch die Holde gruͤße. So geſchieht es, daß ich buͤße, Schweigen iſt mir vorgeſchrieben, Und ich ſagte doch ſo gern Was dem Herzen ſey ſein Lieben, Aber ſtumm bin ich geblieben, Denn Gedanken ſtehn zu fern.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/533
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/533>, abgerufen am 23.11.2024.