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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
liebte spricht von seiner Liebe leicht zu viel.
Konnte Schröders Kunst ganz aus dem Ver-
stande hervor gegangen scheinen, wenn seine
Phantasie sein Studium nicht zur schönsten Ein-
heit verschmolzen hätte, so mußte diesem kla-
ren Bewußtseyn und dieser Vielseitigkeit gegen-
über Fleck unbedingt verlieren. Eine gewisse
Gattung des Komischen war diesem ganz fremd,
seine Phantasie gab ihm hier fast gar keine Bil-
der, er spielte gern und mit Anstrengung den
Flickwort, aber es war trübselig, die edle Ge-
stalt sich hier selbst entstellen und parodiren zu
sehn, mit manchen tragischen Rollen wußte er
eben so wenig etwas anzufangen, der Odoardo
in der Emilie imponirte ihm wegen seiner Be-
rühmtheit, er wandte sein eifrigstes Studium
auf ihn, und konnte nichts Lebendiges aus ihm
erschaffen: im Rolla war er in dem verwünschten
Federnaufputz trotz der Anstrengung seines Or-
gans fast komisch, sein Tellheim, den er auch
bald wieder abgab, war nicht zu ertragen, und
in solche langweilige Stücke und Personen, wie
den deutschen Hausvater, legte er einen will-
kührlichen, frohen und ganz manierirten Hu-
mor, weil er sonst gar nichts mit ihnen anzu-
fangen wußte, und wohl überhaupt nicht begriff,
wie dergleichen unterhalten könne.

Nun wahrlich, rief Clara aus, eine treff-
liche Schilderung eines großen Schauspielers.

Lassen sie sich dies nicht irren, sagte Lo-

Zweite Abtheilung.
liebte ſpricht von ſeiner Liebe leicht zu viel.
Konnte Schroͤders Kunſt ganz aus dem Ver-
ſtande hervor gegangen ſcheinen, wenn ſeine
Phantaſie ſein Studium nicht zur ſchoͤnſten Ein-
heit verſchmolzen haͤtte, ſo mußte dieſem kla-
ren Bewußtſeyn und dieſer Vielſeitigkeit gegen-
uͤber Fleck unbedingt verlieren. Eine gewiſſe
Gattung des Komiſchen war dieſem ganz fremd,
ſeine Phantaſie gab ihm hier faſt gar keine Bil-
der, er ſpielte gern und mit Anſtrengung den
Flickwort, aber es war truͤbſelig, die edle Ge-
ſtalt ſich hier ſelbſt entſtellen und parodiren zu
ſehn, mit manchen tragiſchen Rollen wußte er
eben ſo wenig etwas anzufangen, der Odoardo
in der Emilie imponirte ihm wegen ſeiner Be-
ruͤhmtheit, er wandte ſein eifrigſtes Studium
auf ihn, und konnte nichts Lebendiges aus ihm
erſchaffen: im Rolla war er in dem verwuͤnſchten
Federnaufputz trotz der Anſtrengung ſeines Or-
gans faſt komiſch, ſein Tellheim, den er auch
bald wieder abgab, war nicht zu ertragen, und
in ſolche langweilige Stuͤcke und Perſonen, wie
den deutſchen Hausvater, legte er einen will-
kuͤhrlichen, frohen und ganz manierirten Hu-
mor, weil er ſonſt gar nichts mit ihnen anzu-
fangen wußte, und wohl uͤberhaupt nicht begriff,
wie dergleichen unterhalten koͤnne.

Nun wahrlich, rief Clara aus, eine treff-
liche Schilderung eines großen Schauſpielers.

Laſſen ſie ſich dies nicht irren, ſagte Lo-

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[505/0515] Zweite Abtheilung. liebte ſpricht von ſeiner Liebe leicht zu viel. Konnte Schroͤders Kunſt ganz aus dem Ver- ſtande hervor gegangen ſcheinen, wenn ſeine Phantaſie ſein Studium nicht zur ſchoͤnſten Ein- heit verſchmolzen haͤtte, ſo mußte dieſem kla- ren Bewußtſeyn und dieſer Vielſeitigkeit gegen- uͤber Fleck unbedingt verlieren. Eine gewiſſe Gattung des Komiſchen war dieſem ganz fremd, ſeine Phantaſie gab ihm hier faſt gar keine Bil- der, er ſpielte gern und mit Anſtrengung den Flickwort, aber es war truͤbſelig, die edle Ge- ſtalt ſich hier ſelbſt entſtellen und parodiren zu ſehn, mit manchen tragiſchen Rollen wußte er eben ſo wenig etwas anzufangen, der Odoardo in der Emilie imponirte ihm wegen ſeiner Be- ruͤhmtheit, er wandte ſein eifrigſtes Studium auf ihn, und konnte nichts Lebendiges aus ihm erſchaffen: im Rolla war er in dem verwuͤnſchten Federnaufputz trotz der Anſtrengung ſeines Or- gans faſt komiſch, ſein Tellheim, den er auch bald wieder abgab, war nicht zu ertragen, und in ſolche langweilige Stuͤcke und Perſonen, wie den deutſchen Hausvater, legte er einen will- kuͤhrlichen, frohen und ganz manierirten Hu- mor, weil er ſonſt gar nichts mit ihnen anzu- fangen wußte, und wohl uͤberhaupt nicht begriff, wie dergleichen unterhalten koͤnne. Nun wahrlich, rief Clara aus, eine treff- liche Schilderung eines großen Schauſpielers. Laſſen ſie ſich dies nicht irren, ſagte Lo-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/515>, abgerufen am 27.11.2024.