Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. lieren, um den Beifall buhlen, in Manierausarten, das Kleinliche mit Liebe hegen, und unverwandt das Gegentheil von dem werden, was sie werden sollte, indessen die praktischen Künstler und ihre Zeitgenossen glauben, jetzt erst das Wahre erbeutet und die früheren Zeit- alter verbessert zu haben. So ist es allen Kün- sten und also auch dieser ergangen. Es sind aber bei ihr noch besondere Umstände eingetre- ten, die ihr Verderbniß übermäßig beschleu- nigten. Die früheren Gesellschaften, welche herum zogen, bedurften aller Anstrengung, um Zuschauer herbei zu ziehen, sie konnten nur auf wirkliche Theaterfreunde rechnen, diese musten erregt und befriedigt werden. Als es endlich einigen Bühnen gelang, sich fest zu setzen, war die Aufforderung noch dringender, an den mei- sten Orten entstand ein schönes Verhältniß zwischen Publikum und Bühne, die Künstler wurden Veranlassung, daß sich Kenner bilde- ten und diese halfen wieder dem Schauspieler weiter. Dieses Beisammen- und Ineinander- leben dauerte wirklich eine Zeitlang. Konnten wir je von einem Nationaltheater sprechen, so war es damals, als Schröder auf der Höhe seines Talentes stand. Eine scheinbar zuneh- mende Liebe für die Kunst war es gerade, was ihr sehr bald schadete, als die Freunde des Theaters sich in allen Städten vermehrten. Es wurde nun in den grösseren Theatern Mode, Zweite Abtheilung. lieren, um den Beifall buhlen, in Manierausarten, das Kleinliche mit Liebe hegen, und unverwandt das Gegentheil von dem werden, was ſie werden ſollte, indeſſen die praktiſchen Kuͤnſtler und ihre Zeitgenoſſen glauben, jetzt erſt das Wahre erbeutet und die fruͤheren Zeit- alter verbeſſert zu haben. So iſt es allen Kuͤn- ſten und alſo auch dieſer ergangen. Es ſind aber bei ihr noch beſondere Umſtaͤnde eingetre- ten, die ihr Verderbniß uͤbermaͤßig beſchleu- nigten. Die fruͤheren Geſellſchaften, welche herum zogen, bedurften aller Anſtrengung, um Zuſchauer herbei zu ziehen, ſie konnten nur auf wirkliche Theaterfreunde rechnen, dieſe muſten erregt und befriedigt werden. Als es endlich einigen Buͤhnen gelang, ſich feſt zu ſetzen, war die Aufforderung noch dringender, an den mei- ſten Orten entſtand ein ſchoͤnes Verhaͤltniß zwiſchen Publikum und Buͤhne, die Kuͤnſtler wurden Veranlaſſung, daß ſich Kenner bilde- ten und dieſe halfen wieder dem Schauſpieler weiter. Dieſes Beiſammen- und Ineinander- leben dauerte wirklich eine Zeitlang. Konnten wir je von einem Nationaltheater ſprechen, ſo war es damals, als Schroͤder auf der Hoͤhe ſeines Talentes ſtand. Eine ſcheinbar zuneh- mende Liebe fuͤr die Kunſt war es gerade, was ihr ſehr bald ſchadete, als die Freunde des Theaters ſich in allen Staͤdten vermehrten. Es wurde nun in den groͤſſeren Theatern Mode, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0508" n="498"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> lieren, um den Beifall buhlen, in Manier<lb/> ausarten, das Kleinliche mit Liebe hegen, und<lb/> unverwandt das Gegentheil von dem werden,<lb/> was ſie werden ſollte, indeſſen die praktiſchen<lb/> Kuͤnſtler und ihre Zeitgenoſſen glauben, jetzt<lb/> erſt das Wahre erbeutet und die fruͤheren Zeit-<lb/> alter verbeſſert zu haben. So iſt es allen Kuͤn-<lb/> ſten und alſo auch dieſer ergangen. Es ſind<lb/> aber bei ihr noch beſondere Umſtaͤnde eingetre-<lb/> ten, die ihr Verderbniß uͤbermaͤßig beſchleu-<lb/> nigten. Die fruͤheren Geſellſchaften, welche<lb/> herum zogen, bedurften aller Anſtrengung, um<lb/> Zuſchauer herbei zu ziehen, ſie konnten nur auf<lb/> wirkliche Theaterfreunde rechnen, dieſe muſten<lb/> erregt und befriedigt werden. Als es endlich<lb/> einigen Buͤhnen gelang, ſich feſt zu ſetzen, war<lb/> die Aufforderung noch dringender, an den mei-<lb/> ſten Orten entſtand ein ſchoͤnes Verhaͤltniß<lb/> zwiſchen Publikum und Buͤhne, die Kuͤnſtler<lb/> wurden Veranlaſſung, daß ſich Kenner bilde-<lb/> ten und dieſe halfen wieder dem Schauſpieler<lb/> weiter. Dieſes Beiſammen- und Ineinander-<lb/> leben dauerte wirklich eine Zeitlang. Konnten<lb/> wir je von einem Nationaltheater ſprechen, ſo<lb/> war es damals, als Schroͤder auf der Hoͤhe<lb/> ſeines Talentes ſtand. Eine ſcheinbar zuneh-<lb/> mende Liebe fuͤr die Kunſt war es gerade, was<lb/> ihr ſehr bald ſchadete, als die Freunde des<lb/> Theaters ſich in allen Staͤdten vermehrten.<lb/> Es wurde nun in den groͤſſeren Theatern Mode,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [498/0508]
Zweite Abtheilung.
lieren, um den Beifall buhlen, in Manier
ausarten, das Kleinliche mit Liebe hegen, und
unverwandt das Gegentheil von dem werden,
was ſie werden ſollte, indeſſen die praktiſchen
Kuͤnſtler und ihre Zeitgenoſſen glauben, jetzt
erſt das Wahre erbeutet und die fruͤheren Zeit-
alter verbeſſert zu haben. So iſt es allen Kuͤn-
ſten und alſo auch dieſer ergangen. Es ſind
aber bei ihr noch beſondere Umſtaͤnde eingetre-
ten, die ihr Verderbniß uͤbermaͤßig beſchleu-
nigten. Die fruͤheren Geſellſchaften, welche
herum zogen, bedurften aller Anſtrengung, um
Zuſchauer herbei zu ziehen, ſie konnten nur auf
wirkliche Theaterfreunde rechnen, dieſe muſten
erregt und befriedigt werden. Als es endlich
einigen Buͤhnen gelang, ſich feſt zu ſetzen, war
die Aufforderung noch dringender, an den mei-
ſten Orten entſtand ein ſchoͤnes Verhaͤltniß
zwiſchen Publikum und Buͤhne, die Kuͤnſtler
wurden Veranlaſſung, daß ſich Kenner bilde-
ten und dieſe halfen wieder dem Schauſpieler
weiter. Dieſes Beiſammen- und Ineinander-
leben dauerte wirklich eine Zeitlang. Konnten
wir je von einem Nationaltheater ſprechen, ſo
war es damals, als Schroͤder auf der Hoͤhe
ſeines Talentes ſtand. Eine ſcheinbar zuneh-
mende Liebe fuͤr die Kunſt war es gerade, was
ihr ſehr bald ſchadete, als die Freunde des
Theaters ſich in allen Staͤdten vermehrten.
Es wurde nun in den groͤſſeren Theatern Mode,
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