Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Sechste Scene. (Zimmer.) Lady Herbert, Theodor. L. Herbert. Du bist gefühllos, Stein und ohne Herz, Daß keine Thräne fließt des Vaters Tod, Den Gram um Dich mit in die Grube stieß. Was schelt' ich, Aermste, Dich! Jezt fühl ich erst, Nun ich ihm nicht mehr Liebe kann erweisen, Wie gut er war, wie aller Tugend reich, Daß ich ihn auch in mancher Stunde kränkte. Doch ohne Vorsatz. Ja, so ist der Mensch, Wir schätzen nur des Lebens höchste Güter, Wenn sie auf immer uns entrissen sind. Jezt kenn ich ihn und auch den herben Schmerz, Der mit mir treu aushalten wird zum Grabe. Theodor.. Gebt Euch zur Ruh, ihr habt ja mich noch, Mutter. Seht nur, ich traure, was ich immer kann, Nur heucheln mag ich nicht; wohl war er gut, Der seelge Herr, doch wies im Leben geht, Auch voller Grillen, Vorurtheil und Launen, Er meint es gut mit mir, doch hat er nicht Mit der Moral, Hofmeistern, Besserwissen, Und seinen feinen Sitten, halb zu Tode Wenn ich recht froh mich fühlte, mich gequält? Das geht mit ihm nun auch zu Grabe, Mutter, Denn das leid' ich von Euch auf keinen Fall. Nun haben wir ja auch die Hochzeit vor uns, Denn endlich wird die Lady Dorothea Zweite Abtheilung. Sechſte Scene. (Zimmer.) Lady Herbert, Theodor. L. Herbert. Du biſt gefuͤhllos, Stein und ohne Herz, Daß keine Thraͤne fließt des Vaters Tod, Den Gram um Dich mit in die Grube ſtieß. Was ſchelt' ich, Aermſte, Dich! Jezt fuͤhl ich erſt, Nun ich ihm nicht mehr Liebe kann erweiſen, Wie gut er war, wie aller Tugend reich, Daß ich ihn auch in mancher Stunde kraͤnkte. Doch ohne Vorſatz. Ja, ſo iſt der Menſch, Wir ſchaͤtzen nur des Lebens hoͤchſte Guͤter, Wenn ſie auf immer uns entriſſen ſind. Jezt kenn ich ihn und auch den herben Schmerz, Der mit mir treu aushalten wird zum Grabe. Theodor.. Gebt Euch zur Ruh, ihr habt ja mich noch, Mutter. Seht nur, ich traure, was ich immer kann, Nur heucheln mag ich nicht; wohl war er gut, Der ſeelge Herr, doch wies im Leben geht, Auch voller Grillen, Vorurtheil und Launen, Er meint es gut mit mir, doch hat er nicht Mit der Moral, Hofmeiſtern, Beſſerwiſſen, Und ſeinen feinen Sitten, halb zu Tode Wenn ich recht froh mich fuͤhlte, mich gequaͤlt? Das geht mit ihm nun auch zu Grabe, Mutter, Denn das leid' ich von Euch auf keinen Fall. Nun haben wir ja auch die Hochzeit vor uns, Denn endlich wird die Lady Dorothea <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0448" n="438"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Sechſte Scene</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Zimmer</hi>.)</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lady Herbert, Theodor</hi>.</hi> </stage><lb/> <sp who="#LHerbert"> <speaker>L. <hi rendition="#g">Herbert</hi>.</speaker><lb/> <p>Du biſt gefuͤhllos, Stein und ohne Herz,<lb/> Daß keine Thraͤne fließt des Vaters Tod,<lb/> Den Gram um Dich mit in die Grube ſtieß.<lb/> Was ſchelt' ich, Aermſte, Dich! Jezt fuͤhl ich erſt,<lb/> Nun ich ihm nicht mehr Liebe kann erweiſen,<lb/> Wie gut er war, wie aller Tugend reich,<lb/> Daß ich ihn auch in mancher Stunde kraͤnkte.<lb/> Doch ohne Vorſatz. Ja, ſo iſt der Menſch,<lb/> Wir ſchaͤtzen nur des Lebens hoͤchſte Guͤter,<lb/> Wenn ſie auf immer uns entriſſen ſind.<lb/> Jezt kenn ich ihn und auch den herben Schmerz,<lb/> Der mit mir treu aushalten wird zum Grabe.</p> </sp><lb/> <sp who="#THEO"> <speaker><hi rendition="#g">Theodor</hi>..</speaker><lb/> <p>Gebt Euch zur Ruh, ihr habt ja mich noch, Mutter.<lb/> Seht nur, ich traure, was ich immer kann,<lb/> Nur heucheln mag ich nicht; wohl war er gut,<lb/> Der ſeelge Herr, doch wies im Leben geht,<lb/> Auch voller Grillen, Vorurtheil und Launen,<lb/> Er meint es gut mit mir, doch hat er nicht<lb/> Mit der Moral, Hofmeiſtern, Beſſerwiſſen,<lb/> Und ſeinen feinen Sitten, halb zu Tode<lb/> Wenn ich recht froh mich fuͤhlte, mich gequaͤlt?<lb/> Das geht mit ihm nun auch zu Grabe, Mutter,<lb/> Denn das leid' ich von Euch auf keinen Fall.<lb/> Nun haben wir ja auch die Hochzeit vor uns,<lb/> Denn endlich wird die Lady Dorothea<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [438/0448]
Zweite Abtheilung.
Sechſte Scene.
(Zimmer.)
Lady Herbert, Theodor.
L. Herbert.
Du biſt gefuͤhllos, Stein und ohne Herz,
Daß keine Thraͤne fließt des Vaters Tod,
Den Gram um Dich mit in die Grube ſtieß.
Was ſchelt' ich, Aermſte, Dich! Jezt fuͤhl ich erſt,
Nun ich ihm nicht mehr Liebe kann erweiſen,
Wie gut er war, wie aller Tugend reich,
Daß ich ihn auch in mancher Stunde kraͤnkte.
Doch ohne Vorſatz. Ja, ſo iſt der Menſch,
Wir ſchaͤtzen nur des Lebens hoͤchſte Guͤter,
Wenn ſie auf immer uns entriſſen ſind.
Jezt kenn ich ihn und auch den herben Schmerz,
Der mit mir treu aushalten wird zum Grabe.
Theodor..
Gebt Euch zur Ruh, ihr habt ja mich noch, Mutter.
Seht nur, ich traure, was ich immer kann,
Nur heucheln mag ich nicht; wohl war er gut,
Der ſeelge Herr, doch wies im Leben geht,
Auch voller Grillen, Vorurtheil und Launen,
Er meint es gut mit mir, doch hat er nicht
Mit der Moral, Hofmeiſtern, Beſſerwiſſen,
Und ſeinen feinen Sitten, halb zu Tode
Wenn ich recht froh mich fuͤhlte, mich gequaͤlt?
Das geht mit ihm nun auch zu Grabe, Mutter,
Denn das leid' ich von Euch auf keinen Fall.
Nun haben wir ja auch die Hochzeit vor uns,
Denn endlich wird die Lady Dorothea
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/448 |
Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/448>, abgerufen am 23.02.2025. |