Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Dritte Scene. (Pallast.) Erleuchteter Saal. Große Versammlung am Hofe, die Köni- ginn, Agrippina, L. Herbert, L. Dorothea und viele Damen in Reifröcken Schnürbrüsten, hohen Frisuren: der König, Herbert, der Hofmarschall Raimund und viele Vornehme in der altfranzösischen Tracht, mit ho- hen Frisuren: Herzog Olivarez und Graf Limosin in gewöhnlicher Kleidung. Viele sitzen und spielen, andre ge- nießen Erfrischungen, welche Diener umher geben. Ge- spräche, Begrüßungen. König und Herzog Olivarez treten vor. König. Mein theurer Herzog von Olivarez, Ihr seht hier um Euch meines Hofes Blüthe, Und wenn an diesem vollen Firmament Mein Kind nicht Stralen so wie ehmals wirft, Wenn Ihr, was Euch der Ruf in Spanien sagte, Hier Lügen strafen möchtet, so erwägt Daß schon seit lange Gram, Melankolie, Der Schönheit Wurm, an ihrem Herzen nagt, Den wir auf keine Weise heilen können. Olivarez. Wenn mir Natur für Schönheit Augen gab, So scheint mir, was ich immer hoffen mochte, Von ihrer holden Gegenwart verdunkelt: Nur muß der ungewohnte Sinn vom Staunen Ob dieser neuen wunderbaren Tracht, Den Locken, Poschen, Schminke, Pflästerchen, Und aufgesteiftem Haar, sich erst erholen. König. Ihr habt vielleicht nicht Unrecht; wicht'ge Gründe, Politische wie physikalische, III. [ 27 ]
Fortunat. Dritte Scene. (Pallaſt.) Erleuchteter Saal. Große Verſammlung am Hofe, die Koͤni- ginn, Agrippina, L. Herbert, L. Dorothea und viele Damen in Reifroͤcken Schnuͤrbruͤſten, hohen Friſuren: der Koͤnig, Herbert, der Hofmarſchall Raimund und viele Vornehme in der altfranzoͤſiſchen Tracht, mit ho- hen Friſuren: Herzog Olivarez und Graf Limoſin in gewoͤhnlicher Kleidung. Viele ſitzen und ſpielen, andre ge- nießen Erfriſchungen, welche Diener umher geben. Ge- ſpraͤche, Begruͤßungen. Koͤnig und Herzog Olivarez treten vor. Koͤnig. Mein theurer Herzog von Olivarez, Ihr ſeht hier um Euch meines Hofes Bluͤthe, Und wenn an dieſem vollen Firmament Mein Kind nicht Stralen ſo wie ehmals wirft, Wenn Ihr, was Euch der Ruf in Spanien ſagte, Hier Luͤgen ſtrafen moͤchtet, ſo erwaͤgt Daß ſchon ſeit lange Gram, Melankolie, Der Schoͤnheit Wurm, an ihrem Herzen nagt, Den wir auf keine Weiſe heilen koͤnnen. Olivarez. Wenn mir Natur fuͤr Schoͤnheit Augen gab, So ſcheint mir, was ich immer hoffen mochte, Von ihrer holden Gegenwart verdunkelt: Nur muß der ungewohnte Sinn vom Staunen Ob dieſer neuen wunderbaren Tracht, Den Locken, Poſchen, Schminke, Pflaͤſterchen, Und aufgeſteiftem Haar, ſich erſt erholen. Koͤnig. Ihr habt vielleicht nicht Unrecht; wicht'ge Gruͤnde, Politiſche wie phyſikaliſche, III. [ 27 ]
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Fortunat.
Dritte Scene.
(Pallaſt.)
Erleuchteter Saal. Große Verſammlung am Hofe, die Koͤni-
ginn, Agrippina, L. Herbert, L. Dorothea und
viele Damen in Reifroͤcken Schnuͤrbruͤſten, hohen Friſuren:
der Koͤnig, Herbert, der Hofmarſchall Raimund
und viele Vornehme in der altfranzoͤſiſchen Tracht, mit ho-
hen Friſuren: Herzog Olivarez und Graf Limoſin in
gewoͤhnlicher Kleidung. Viele ſitzen und ſpielen, andre ge-
nießen Erfriſchungen, welche Diener umher geben. Ge-
ſpraͤche, Begruͤßungen.
Koͤnig und Herzog Olivarez treten vor.
Koͤnig.
Mein theurer Herzog von Olivarez,
Ihr ſeht hier um Euch meines Hofes Bluͤthe,
Und wenn an dieſem vollen Firmament
Mein Kind nicht Stralen ſo wie ehmals wirft,
Wenn Ihr, was Euch der Ruf in Spanien ſagte,
Hier Luͤgen ſtrafen moͤchtet, ſo erwaͤgt
Daß ſchon ſeit lange Gram, Melankolie,
Der Schoͤnheit Wurm, an ihrem Herzen nagt,
Den wir auf keine Weiſe heilen koͤnnen.
Olivarez.
Wenn mir Natur fuͤr Schoͤnheit Augen gab,
So ſcheint mir, was ich immer hoffen mochte,
Von ihrer holden Gegenwart verdunkelt:
Nur muß der ungewohnte Sinn vom Staunen
Ob dieſer neuen wunderbaren Tracht,
Den Locken, Poſchen, Schminke, Pflaͤſterchen,
Und aufgeſteiftem Haar, ſich erſt erholen.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/427>, abgerufen am 23.02.2025. |