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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
mund hat in der That keinen üblen Ausweg ge-
funden.

Der Hofschneider und seine Gesellen kommen mit
Reifrock, Schnürleib, Kleid u. s. w.
Schneider. Hier, Gevatter.
Flint. Zieh an, Frau, umgelegt, einge-
schnürt, so -- helft, Kinder. -- Halt! erst noch
recht eingepudert, weiß, ganz weiß muß die Frisur
von oben und unten seyn, hinten und vorne; weiß
in so großer Masse ist erhaben. -- Nun, Gnä-
dige, wie gefällts? Seht den Reifrock! grün At-
las, wie die Erde gleichsam mit Wiesen, Wald
und Blumen; dann erhebt sich die feste Schnür-
brust, die Hügel, die Berge; Geschmeide um den
Hals, wie Quellen und Bäche; das Gesicht, --
hier, die rothe Schminke aufgelegt, die schwarzen
Muschen -- sonderbar, bizarr, anlockend, wie Son-
nen- Mondschein und Finsterniß, -- und nun oben,
oben der höchste Berg, wie Jungfer und Schreck-
horn, ächter Monblanc mit seinem ewigen Schnee,
herabrinnend die Perlen und Steine, wie Wasser,
das sich auflöst, und mit dem Geschmeide des Hal-
ses zusammenfließen will. -- giebt es etwas Lehr-
reicheres, Tiefsinnigeres, Kunstmäßigeres? -- Heut
ist der Tag des Triumphes für den Ober-Gehei-
men-Staats-Haupt-Regulateur. -- Seht, Gnä-
dige, so hoch, und noch etwas höher tragen die
Prinzessinnen die Frisur; Gräfinnen, sollen nur
drei viertel Ellen hoch haben, die übrigen Edelda-
men etwas über eine halbe Elle. -- Ist alles fer-
tig? -- Nun komm, Frau, auf dem großen Markt
Fortunat.
mund hat in der That keinen uͤblen Ausweg ge-
funden.

Der Hofſchneider und ſeine Geſellen kommen mit
Reifrock, Schnuͤrleib, Kleid u. ſ. w.
Schneider. Hier, Gevatter.
Flint. Zieh an, Frau, umgelegt, einge-
ſchnuͤrt, ſo — helft, Kinder. — Halt! erſt noch
recht eingepudert, weiß, ganz weiß muß die Friſur
von oben und unten ſeyn, hinten und vorne; weiß
in ſo großer Maſſe iſt erhaben. — Nun, Gnaͤ-
dige, wie gefaͤllts? Seht den Reifrock! gruͤn At-
las, wie die Erde gleichſam mit Wieſen, Wald
und Blumen; dann erhebt ſich die feſte Schnuͤr-
bruſt, die Huͤgel, die Berge; Geſchmeide um den
Hals, wie Quellen und Baͤche; das Geſicht, —
hier, die rothe Schminke aufgelegt, die ſchwarzen
Muſchen — ſonderbar, bizarr, anlockend, wie Son-
nen- Mondſchein und Finſterniß, — und nun oben,
oben der hoͤchſte Berg, wie Jungfer und Schreck-
horn, aͤchter Monblanc mit ſeinem ewigen Schnee,
herabrinnend die Perlen und Steine, wie Waſſer,
das ſich aufloͤſt, und mit dem Geſchmeide des Hal-
ſes zuſammenfließen will. — giebt es etwas Lehr-
reicheres, Tiefſinnigeres, Kunſtmaͤßigeres? — Heut
iſt der Tag des Triumphes fuͤr den Ober-Gehei-
men-Staats-Haupt-Regulateur. — Seht, Gnaͤ-
dige, ſo hoch, und noch etwas hoͤher tragen die
Prinzeſſinnen die Friſur; Graͤfinnen, ſollen nur
drei viertel Ellen hoch haben, die uͤbrigen Edelda-
men etwas uͤber eine halbe Elle. — Iſt alles fer-
tig? — Nun komm, Frau, auf dem großen Markt
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[403/0413] Fortunat. mund hat in der That keinen uͤblen Ausweg ge- funden. Der Hofſchneider und ſeine Geſellen kommen mit Reifrock, Schnuͤrleib, Kleid u. ſ. w. Schneider. Hier, Gevatter. Flint. Zieh an, Frau, umgelegt, einge- ſchnuͤrt, ſo — helft, Kinder. — Halt! erſt noch recht eingepudert, weiß, ganz weiß muß die Friſur von oben und unten ſeyn, hinten und vorne; weiß in ſo großer Maſſe iſt erhaben. — Nun, Gnaͤ- dige, wie gefaͤllts? Seht den Reifrock! gruͤn At- las, wie die Erde gleichſam mit Wieſen, Wald und Blumen; dann erhebt ſich die feſte Schnuͤr- bruſt, die Huͤgel, die Berge; Geſchmeide um den Hals, wie Quellen und Baͤche; das Geſicht, — hier, die rothe Schminke aufgelegt, die ſchwarzen Muſchen — ſonderbar, bizarr, anlockend, wie Son- nen- Mondſchein und Finſterniß, — und nun oben, oben der hoͤchſte Berg, wie Jungfer und Schreck- horn, aͤchter Monblanc mit ſeinem ewigen Schnee, herabrinnend die Perlen und Steine, wie Waſſer, das ſich aufloͤſt, und mit dem Geſchmeide des Hal- ſes zuſammenfließen will. — giebt es etwas Lehr- reicheres, Tiefſinnigeres, Kunſtmaͤßigeres? — Heut iſt der Tag des Triumphes fuͤr den Ober-Gehei- men-Staats-Haupt-Regulateur. — Seht, Gnaͤ- dige, ſo hoch, und noch etwas hoͤher tragen die Prinzeſſinnen die Friſur; Graͤfinnen, ſollen nur drei viertel Ellen hoch haben, die uͤbrigen Edelda- men etwas uͤber eine halbe Elle. — Iſt alles fer- tig? — Nun komm, Frau, auf dem großen Markt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/413>, abgerufen am 30.11.2024.