Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. kann Dir fast nicht entgehn. Darum heirathenicht, oder sey über Vorurtheile weg. Dietrich. Es ist im Grunde ein alter Aber- glaube, Vater, wie mit den Hexen und dem Blocks- berge: habt ihr schon einen mit Hörnern lau- fen sehn? Daniel. In der neuen Zeit, Sohn, wo alles so weich und gemüthlich ist, wachsen sie viel- leicht nach innen. -- Mein Seegen begleitet Dich. Da kommen unsre Herren, und, wie es scheint, im Streit. Ampedo und Andalosia treten auf. Andalosia. Dietrich, mach Dich bereit, so- gleich zu reisen. Ampedo. Er kann und wird nicht reisen, bleib! Andalosia. Geh, sag' ich! Ampedo. Bleib, sag' ich! Dietrich. Bleiben? Gehn? Beides zugleich ist nicht möglich. Andalosia. Ich werde meinem Bedienten doch befehlen dürfen? Ampedo. Aber, lieber Bruder, es ist nicht recht, daß Du so schnell nach unsers Vaters Tode alle seine ausdrücklichen Verordnungen umsto- ßen willst. Andalosia. Alles, was in der Welt ver- ordnet wird, kann nur gehalten werden, insofern es mit der Vernunft besteht, das ist bei allen Dingen die stillschweigende Bedingung; da sich aber das bei unsers Vaters Testament gar nicht erweißlich Zweite Abtheilung. kann Dir faſt nicht entgehn. Darum heirathenicht, oder ſey uͤber Vorurtheile weg. Dietrich. Es iſt im Grunde ein alter Aber- glaube, Vater, wie mit den Hexen und dem Blocks- berge: habt ihr ſchon einen mit Hoͤrnern lau- fen ſehn? Daniel. In der neuen Zeit, Sohn, wo alles ſo weich und gemuͤthlich iſt, wachſen ſie viel- leicht nach innen. — Mein Seegen begleitet Dich. Da kommen unſre Herren, und, wie es ſcheint, im Streit. Ampedo und Andaloſia treten auf. Andaloſia. Dietrich, mach Dich bereit, ſo- gleich zu reiſen. Ampedo. Er kann und wird nicht reiſen, bleib! Andaloſia. Geh, ſag' ich! Ampedo. Bleib, ſag' ich! Dietrich. Bleiben? Gehn? Beides zugleich iſt nicht moͤglich. Andaloſia. Ich werde meinem Bedienten doch befehlen duͤrfen? Ampedo. Aber, lieber Bruder, es iſt nicht recht, daß Du ſo ſchnell nach unſers Vaters Tode alle ſeine ausdruͤcklichen Verordnungen umſto- ßen willſt. Andaloſia. Alles, was in der Welt ver- ordnet wird, kann nur gehalten werden, inſofern es mit der Vernunft beſteht, das iſt bei allen Dingen die ſtillſchweigende Bedingung; da ſich aber das bei unſers Vaters Teſtament gar nicht erweißlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Daniel"> <p><pb facs="#f0292" n="282"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> kann Dir faſt nicht entgehn. Darum heirathe<lb/> nicht, oder ſey uͤber Vorurtheile weg.</p> </sp><lb/> <sp who="#Dietrich"> <speaker><hi rendition="#g">Dietrich</hi>.</speaker> <p>Es iſt im Grunde ein alter Aber-<lb/> glaube, Vater, wie mit den Hexen und dem Blocks-<lb/> berge: habt ihr ſchon einen mit Hoͤrnern lau-<lb/> fen ſehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>In der neuen Zeit, Sohn, wo<lb/> alles ſo weich und gemuͤthlich iſt, wachſen ſie viel-<lb/> leicht nach innen. — Mein Seegen begleitet<lb/> Dich. Da kommen unſre Herren, und, wie es<lb/> ſcheint, im Streit.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ampedo</hi> und <hi rendition="#g">Andaloſia</hi> treten auf.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Dietrich, mach Dich bereit, ſo-<lb/> gleich zu reiſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#Ampedo"> <speaker><hi rendition="#g">Ampedo</hi>.</speaker> <p>Er kann und wird nicht reiſen,<lb/> bleib!</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Geh, ſag' ich!</p> </sp><lb/> <sp who="#Ampedo"> <speaker><hi rendition="#g">Ampedo</hi>.</speaker> <p>Bleib, ſag' ich!</p> </sp><lb/> <sp who="#Dietrich"> <speaker><hi rendition="#g">Dietrich</hi>.</speaker> <p>Bleiben? Gehn? Beides zugleich<lb/> iſt nicht moͤglich.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Ich werde meinem Bedienten<lb/> doch befehlen duͤrfen?</p> </sp><lb/> <sp who="#Ampedo"> <speaker><hi rendition="#g">Ampedo</hi>.</speaker> <p>Aber, lieber Bruder, es iſt nicht<lb/> recht, daß Du ſo ſchnell nach unſers Vaters Tode<lb/> alle ſeine ausdruͤcklichen Verordnungen umſto-<lb/> ßen willſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <p>Alles, was in der Welt ver-<lb/> ordnet wird, kann nur gehalten werden, inſofern es<lb/> mit der Vernunft beſteht, das iſt bei allen Dingen<lb/> die ſtillſchweigende Bedingung; da ſich aber das<lb/> bei unſers Vaters Teſtament gar nicht erweißlich<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0292]
Zweite Abtheilung.
kann Dir faſt nicht entgehn. Darum heirathe
nicht, oder ſey uͤber Vorurtheile weg.
Dietrich. Es iſt im Grunde ein alter Aber-
glaube, Vater, wie mit den Hexen und dem Blocks-
berge: habt ihr ſchon einen mit Hoͤrnern lau-
fen ſehn?
Daniel. In der neuen Zeit, Sohn, wo
alles ſo weich und gemuͤthlich iſt, wachſen ſie viel-
leicht nach innen. — Mein Seegen begleitet
Dich. Da kommen unſre Herren, und, wie es
ſcheint, im Streit.
Ampedo und Andaloſia treten auf.
Andaloſia. Dietrich, mach Dich bereit, ſo-
gleich zu reiſen.
Ampedo. Er kann und wird nicht reiſen,
bleib!
Andaloſia. Geh, ſag' ich!
Ampedo. Bleib, ſag' ich!
Dietrich. Bleiben? Gehn? Beides zugleich
iſt nicht moͤglich.
Andaloſia. Ich werde meinem Bedienten
doch befehlen duͤrfen?
Ampedo. Aber, lieber Bruder, es iſt nicht
recht, daß Du ſo ſchnell nach unſers Vaters Tode
alle ſeine ausdruͤcklichen Verordnungen umſto-
ßen willſt.
Andaloſia. Alles, was in der Welt ver-
ordnet wird, kann nur gehalten werden, inſofern es
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die ſtillſchweigende Bedingung; da ſich aber das
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/292>, abgerufen am 16.02.2025. |