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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
cher williger, auf jeden Ruf und Pfiff aller Nar-
ren herbei springender Schlingel wird ein Pack-
esel für die ganze Welt. Und hat er Dank?
Nein, für seine verfluchte Schuldigkeit wird es
ihm angerechnet. Stellt er sich aber recht dumm,
kriecht recht langsam, hört nicht, sieht nicht,
schnautzt jeden an, dem er es bieten darf, so ha-
ben sie gar nicht die Dreistigkeit, was von ihm
zu fordern, und thut er dann einmal etwas unge-
heißen, ei so geht ein wahrer Sonnenschein in
allen Gesichtern auf.
Dietrich. Recht, es giebt so Narren, die
herum springen, als wenn sie sich zerreißen woll-
ten, sie fahren mit den Ellenbogen an Tische und
Wände, und schlurren Schuh und Stiefeln ab,
daß es zum Erbarmen ist: das sind so die wahren
Büffelochsen um Gotteswillen, die Fleder- und
Borstwische, Ofengabel und Bratenwender, Be-
sen und Nähnadeln, Schlösser und Tischler und
alles zugleich sind, und am Abend nichts als
müde Beine haben, Beulen zum Dank, das Es-
sen versäumen, und noch dazu heben ihnen die
andern nie etwas auf.
Daniel. Ich sehe, Du bist nicht ohne Ein-
sichten und wirst Dich also nicht unter die Füße
treten lassen. Solltest Du im Auslande Dich ver-
lieben, oder verheirathen -- (ja, mein Sohn, da
hilft nun gegen das Schicksal nichts) -- so wirst
Du ein Hahnrei, es ist ein alter Familienschaden --
stell' Dich mal ein wenig in die Sonne -- so --
das Gesicht etwas höher -- ja, Sohn, Du hast so
den wahren Ausdruck, alle die Lineamente dazu, es
Fortunat.
cher williger, auf jeden Ruf und Pfiff aller Nar-
ren herbei ſpringender Schlingel wird ein Pack-
eſel fuͤr die ganze Welt. Und hat er Dank?
Nein, fuͤr ſeine verfluchte Schuldigkeit wird es
ihm angerechnet. Stellt er ſich aber recht dumm,
kriecht recht langſam, hoͤrt nicht, ſieht nicht,
ſchnautzt jeden an, dem er es bieten darf, ſo ha-
ben ſie gar nicht die Dreiſtigkeit, was von ihm
zu fordern, und thut er dann einmal etwas unge-
heißen, ei ſo geht ein wahrer Sonnenſchein in
allen Geſichtern auf.
Dietrich. Recht, es giebt ſo Narren, die
herum ſpringen, als wenn ſie ſich zerreißen woll-
ten, ſie fahren mit den Ellenbogen an Tiſche und
Waͤnde, und ſchlurren Schuh und Stiefeln ab,
daß es zum Erbarmen iſt: das ſind ſo die wahren
Buͤffelochſen um Gotteswillen, die Fleder- und
Borſtwiſche, Ofengabel und Bratenwender, Be-
ſen und Naͤhnadeln, Schloͤſſer und Tiſchler und
alles zugleich ſind, und am Abend nichts als
muͤde Beine haben, Beulen zum Dank, das Eſ-
ſen verſaͤumen, und noch dazu heben ihnen die
andern nie etwas auf.
Daniel. Ich ſehe, Du biſt nicht ohne Ein-
ſichten und wirſt Dich alſo nicht unter die Fuͤße
treten laſſen. Sollteſt Du im Auslande Dich ver-
lieben, oder verheirathen — (ja, mein Sohn, da
hilft nun gegen das Schickſal nichts) — ſo wirſt
Du ein Hahnrei, es iſt ein alter Familienſchaden —
ſtell' Dich mal ein wenig in die Sonne — ſo —
das Geſicht etwas hoͤher — ja, Sohn, Du haſt ſo
den wahren Ausdruck, alle die Lineamente dazu, es
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[281/0291] Fortunat. cher williger, auf jeden Ruf und Pfiff aller Nar- ren herbei ſpringender Schlingel wird ein Pack- eſel fuͤr die ganze Welt. Und hat er Dank? Nein, fuͤr ſeine verfluchte Schuldigkeit wird es ihm angerechnet. Stellt er ſich aber recht dumm, kriecht recht langſam, hoͤrt nicht, ſieht nicht, ſchnautzt jeden an, dem er es bieten darf, ſo ha- ben ſie gar nicht die Dreiſtigkeit, was von ihm zu fordern, und thut er dann einmal etwas unge- heißen, ei ſo geht ein wahrer Sonnenſchein in allen Geſichtern auf. Dietrich. Recht, es giebt ſo Narren, die herum ſpringen, als wenn ſie ſich zerreißen woll- ten, ſie fahren mit den Ellenbogen an Tiſche und Waͤnde, und ſchlurren Schuh und Stiefeln ab, daß es zum Erbarmen iſt: das ſind ſo die wahren Buͤffelochſen um Gotteswillen, die Fleder- und Borſtwiſche, Ofengabel und Bratenwender, Be- ſen und Naͤhnadeln, Schloͤſſer und Tiſchler und alles zugleich ſind, und am Abend nichts als muͤde Beine haben, Beulen zum Dank, das Eſ- ſen verſaͤumen, und noch dazu heben ihnen die andern nie etwas auf. Daniel. Ich ſehe, Du biſt nicht ohne Ein- ſichten und wirſt Dich alſo nicht unter die Fuͤße treten laſſen. Sollteſt Du im Auslande Dich ver- lieben, oder verheirathen — (ja, mein Sohn, da hilft nun gegen das Schickſal nichts) — ſo wirſt Du ein Hahnrei, es iſt ein alter Familienſchaden — ſtell' Dich mal ein wenig in die Sonne — ſo — das Geſicht etwas hoͤher — ja, Sohn, Du haſt ſo den wahren Ausdruck, alle die Lineamente dazu, es

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/291>, abgerufen am 22.11.2024.