Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Kriegen hörte, mußte er zugegen seyn, er selbststritt und zankte mit jedem, es war nicht anders, als fiele sein eigner Körper ihm zur Last, und so hat er dem Glück und Schicksal Trotz geboten, und nur selbst sich beschädigt. 1.Rath. Dies läßt sich hören -- 4.Kläger. Was läßt sich hören? Ein Narr ließ sich eben hören, und wenn ich nicht mehr be- dächte -- Teufel! ich wollte euch mit dem Degen so um die Ohren schlagen, -- hätt' ich nur noch mei- nen ehemaligen rechten Arm, so solltet ihr andre Dinge sehn. (geht ab.) 5.Kläger. Sehen Sie in mir einen sehr alten, alten Mann; ich bin nun schon über die Ma- ßen alt, und habe die traurige Aussicht, noch viel älter zu werden, denn das ist die elende Gabe, die ich von jener Frau erhalten habe, ein unendlich lan- ges Leben zu führen. Ich kann ihr nicht dafür dan- ken, denn ich habe nie gewußt, wie ich meine Zeit zubringen soll: sehn Sie, es ist doch eigentlich sehr langweilig, so zu leben und immerfort zu leben, es fällt genau genommen nicht viel Neues vor, ja ge- nau besehn, ist das, was die Leute etwas Neues nennen, immer schon etwas Altes. Wie soll man nur ein so langes Leben hinbringen? Alles ermüdet mich, alles ekelt mich an. Ich weiß nicht, wie so viele ein hohes Alter ein Gut nennen können. Und doch will ich freilich auch nicht gern sterben. (gähnt.) Nicht wahr, ich bin recht unglücklich? 1.Rath. Lieber, alter, langweiliger Mann -- Zweite Abtheilung. Kriegen hoͤrte, mußte er zugegen ſeyn, er ſelbſtſtritt und zankte mit jedem, es war nicht anders, als fiele ſein eigner Koͤrper ihm zur Laſt, und ſo hat er dem Gluͤck und Schickſal Trotz geboten, und nur ſelbſt ſich beſchaͤdigt. 1.Rath. Dies laͤßt ſich hoͤren — 4.Klaͤger. Was laͤßt ſich hoͤren? Ein Narr ließ ſich eben hoͤren, und wenn ich nicht mehr be- daͤchte — Teufel! ich wollte euch mit dem Degen ſo um die Ohren ſchlagen, — haͤtt' ich nur noch mei- nen ehemaligen rechten Arm, ſo ſolltet ihr andre Dinge ſehn. (geht ab.) 5.Klaͤger. Sehen Sie in mir einen ſehr alten, alten Mann; ich bin nun ſchon uͤber die Ma- ßen alt, und habe die traurige Ausſicht, noch viel aͤlter zu werden, denn das iſt die elende Gabe, die ich von jener Frau erhalten habe, ein unendlich lan- ges Leben zu fuͤhren. Ich kann ihr nicht dafuͤr dan- ken, denn ich habe nie gewußt, wie ich meine Zeit zubringen ſoll: ſehn Sie, es iſt doch eigentlich ſehr langweilig, ſo zu leben und immerfort zu leben, es faͤllt genau genommen nicht viel Neues vor, ja ge- nau beſehn, iſt das, was die Leute etwas Neues nennen, immer ſchon etwas Altes. Wie ſoll man nur ein ſo langes Leben hinbringen? Alles ermuͤdet mich, alles ekelt mich an. Ich weiß nicht, wie ſo viele ein hohes Alter ein Gut nennen koͤnnen. Und doch will ich freilich auch nicht gern ſterben. (gaͤhnt.) Nicht wahr, ich bin recht ungluͤcklich? 1.Rath. Lieber, alter, langweiliger Mann — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#Fortuna"> <p><pb facs="#f0270" n="260"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Kriegen hoͤrte, mußte er zugegen ſeyn, er ſelbſt<lb/> ſtritt und zankte mit jedem, es war nicht anders,<lb/> als fiele ſein eigner Koͤrper ihm zur Laſt, und ſo hat<lb/> er dem Gluͤck und Schickſal Trotz geboten, und nur<lb/> ſelbſt ſich beſchaͤdigt.</p> </sp><lb/> <sp who="#1Rath"> <speaker>1.<hi rendition="#g">Rath</hi>.</speaker> <p>Dies laͤßt ſich hoͤren —</p> </sp><lb/> <sp who="#4Klaͤger"> <speaker>4.<hi rendition="#g">Klaͤger</hi>.</speaker> <p>Was laͤßt ſich hoͤren? 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Zweite Abtheilung.
Kriegen hoͤrte, mußte er zugegen ſeyn, er ſelbſt
ſtritt und zankte mit jedem, es war nicht anders,
als fiele ſein eigner Koͤrper ihm zur Laſt, und ſo hat
er dem Gluͤck und Schickſal Trotz geboten, und nur
ſelbſt ſich beſchaͤdigt.
1.Rath. Dies laͤßt ſich hoͤren —
4.Klaͤger. Was laͤßt ſich hoͤren? Ein Narr
ließ ſich eben hoͤren, und wenn ich nicht mehr be-
daͤchte — Teufel! ich wollte euch mit dem Degen
ſo um die Ohren ſchlagen, — haͤtt' ich nur noch mei-
nen ehemaligen rechten Arm, ſo ſolltet ihr andre
Dinge ſehn. (geht ab.)
5.Klaͤger. Sehen Sie in mir einen ſehr
alten, alten Mann; ich bin nun ſchon uͤber die Ma-
ßen alt, und habe die traurige Ausſicht, noch viel
aͤlter zu werden, denn das iſt die elende Gabe, die
ich von jener Frau erhalten habe, ein unendlich lan-
ges Leben zu fuͤhren. Ich kann ihr nicht dafuͤr dan-
ken, denn ich habe nie gewußt, wie ich meine Zeit
zubringen ſoll: ſehn Sie, es iſt doch eigentlich ſehr
langweilig, ſo zu leben und immerfort zu leben, es
faͤllt genau genommen nicht viel Neues vor, ja ge-
nau beſehn, iſt das, was die Leute etwas Neues
nennen, immer ſchon etwas Altes. Wie ſoll man
nur ein ſo langes Leben hinbringen? Alles ermuͤdet
mich, alles ekelt mich an. Ich weiß nicht, wie ſo
viele ein hohes Alter ein Gut nennen koͤnnen. Und
doch will ich freilich auch nicht gern ſterben. (gaͤhnt.)
Nicht wahr, ich bin recht ungluͤcklich?
1.Rath. Lieber, alter, langweiliger Mann —
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