Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. hatte er ihn sich doch nie mit diesen Umgebungenausmahlen können. Man wurde bald einig, daß das Fuhrwerk im Freien bleiben müsse, bis Manfred in der Nacht Anstalten getroffen, das Gepäck hinunter bringen zu lassen, Walther sollte sich ebenfalls hier verborgen halten, bis man nähere Abrede genommen, um beim Abendessen allen überflüßi- gen Nachforschungen aus dem Wege zu gehn. Als man die nöthigsten Vorsichtsmaßregeln genommen hatte, gingen Friedrich und Adelheid Arm in Arm den Berg hinunter. Wie glücklich, sprach er, trifft es sich, daß jetzt eben Niemand zu Hause ist; sieh, ich trage den lieben Schlüs- sel bei mir, wie oft habe ich ihn geküßt, der Deine künftige Wohnung eröffnet, die Zimmer liegen abseits, so daß Dich Niemand heut und morgen bemerken wird, bis mein Freund es gut findet, das Geheimniß aufzulösen. Komm Theure, denn schon seit Wochen erwartet Dich der Spring- brunnen da unten, die Blumen haben jeden Morgen noch Dir ausgesehn, die Laubengänge strecken Dir die Arme entgegen. Sieh, wie das Licht von meinem Zimmer nach Dir herwinkt. Nun bin ich bei Dir, sagte Adelheid, und mir ist wohl, diese Berge und Gärten, dieser nächtliche Mondschein, alles ist freundschaftlich und vertraulich um mich her: aber wie wird mir seyn, wenn ich Menschen sehe, wenn ich erzäh- len soll; und wenn Dein Freund mich auch gü- Zweite Abtheilung. hatte er ihn ſich doch nie mit dieſen Umgebungenausmahlen koͤnnen. Man wurde bald einig, daß das Fuhrwerk im Freien bleiben muͤſſe, bis Manfred in der Nacht Anſtalten getroffen, das Gepaͤck hinunter bringen zu laſſen, Walther ſollte ſich ebenfalls hier verborgen halten, bis man naͤhere Abrede genommen, um beim Abendeſſen allen uͤberfluͤßi- gen Nachforſchungen aus dem Wege zu gehn. Als man die noͤthigſten Vorſichtsmaßregeln genommen hatte, gingen Friedrich und Adelheid Arm in Arm den Berg hinunter. Wie gluͤcklich, ſprach er, trifft es ſich, daß jetzt eben Niemand zu Hauſe iſt; ſieh, ich trage den lieben Schluͤſ- ſel bei mir, wie oft habe ich ihn gekuͤßt, der Deine kuͤnftige Wohnung eroͤffnet, die Zimmer liegen abſeits, ſo daß Dich Niemand heut und morgen bemerken wird, bis mein Freund es gut findet, das Geheimniß aufzuloͤſen. Komm Theure, denn ſchon ſeit Wochen erwartet Dich der Spring- brunnen da unten, die Blumen haben jeden Morgen noch Dir ausgeſehn, die Laubengaͤnge ſtrecken Dir die Arme entgegen. Sieh, wie das Licht von meinem Zimmer nach Dir herwinkt. Nun bin ich bei Dir, ſagte Adelheid, und mir iſt wohl, dieſe Berge und Gaͤrten, dieſer naͤchtliche Mondſchein, alles iſt freundſchaftlich und vertraulich um mich her: aber wie wird mir ſeyn, wenn ich Menſchen ſehe, wenn ich erzaͤh- len ſoll; und wenn Dein Freund mich auch guͤ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#VAL"> <p><pb facs="#f0246" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> hatte er ihn ſich doch nie mit dieſen Umgebungen<lb/> ausmahlen koͤnnen.</p><lb/> <p>Man wurde bald einig, daß das Fuhrwerk<lb/> im Freien bleiben muͤſſe, bis Manfred in der<lb/> Nacht Anſtalten getroffen, das Gepaͤck hinunter<lb/> bringen zu laſſen, Walther ſollte ſich ebenfalls<lb/> hier verborgen halten, bis man naͤhere Abrede<lb/> genommen, um beim Abendeſſen allen uͤberfluͤßi-<lb/> gen Nachforſchungen aus dem Wege zu gehn.</p><lb/> <p>Als man die noͤthigſten Vorſichtsmaßregeln<lb/> genommen hatte, gingen Friedrich und Adelheid<lb/> Arm in Arm den Berg hinunter. Wie gluͤcklich,<lb/> ſprach er, trifft es ſich, daß jetzt eben Niemand<lb/> zu Hauſe iſt; ſieh, ich trage den lieben Schluͤſ-<lb/> ſel bei mir, wie oft habe ich ihn gekuͤßt, der Deine<lb/> kuͤnftige Wohnung eroͤffnet, die Zimmer liegen<lb/> abſeits, ſo daß Dich Niemand heut und morgen<lb/> bemerken wird, bis mein Freund es gut findet,<lb/> das Geheimniß aufzuloͤſen. Komm Theure, denn<lb/> ſchon ſeit Wochen erwartet Dich der Spring-<lb/> brunnen da unten, die Blumen haben jeden<lb/> Morgen noch Dir ausgeſehn, die Laubengaͤnge<lb/> ſtrecken Dir die Arme entgegen. Sieh, wie das<lb/> Licht von meinem Zimmer nach Dir herwinkt.</p><lb/> <p>Nun bin ich bei Dir, ſagte Adelheid, und<lb/> mir iſt wohl, dieſe Berge und Gaͤrten, dieſer<lb/> naͤchtliche Mondſchein, alles iſt freundſchaftlich<lb/> und vertraulich um mich her: aber wie wird mir<lb/> ſeyn, wenn ich Menſchen ſehe, wenn ich erzaͤh-<lb/> len ſoll; und wenn Dein Freund mich auch guͤ-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0246]
Zweite Abtheilung.
hatte er ihn ſich doch nie mit dieſen Umgebungen
ausmahlen koͤnnen.
Man wurde bald einig, daß das Fuhrwerk
im Freien bleiben muͤſſe, bis Manfred in der
Nacht Anſtalten getroffen, das Gepaͤck hinunter
bringen zu laſſen, Walther ſollte ſich ebenfalls
hier verborgen halten, bis man naͤhere Abrede
genommen, um beim Abendeſſen allen uͤberfluͤßi-
gen Nachforſchungen aus dem Wege zu gehn.
Als man die noͤthigſten Vorſichtsmaßregeln
genommen hatte, gingen Friedrich und Adelheid
Arm in Arm den Berg hinunter. Wie gluͤcklich,
ſprach er, trifft es ſich, daß jetzt eben Niemand
zu Hauſe iſt; ſieh, ich trage den lieben Schluͤſ-
ſel bei mir, wie oft habe ich ihn gekuͤßt, der Deine
kuͤnftige Wohnung eroͤffnet, die Zimmer liegen
abſeits, ſo daß Dich Niemand heut und morgen
bemerken wird, bis mein Freund es gut findet,
das Geheimniß aufzuloͤſen. Komm Theure, denn
ſchon ſeit Wochen erwartet Dich der Spring-
brunnen da unten, die Blumen haben jeden
Morgen noch Dir ausgeſehn, die Laubengaͤnge
ſtrecken Dir die Arme entgegen. Sieh, wie das
Licht von meinem Zimmer nach Dir herwinkt.
Nun bin ich bei Dir, ſagte Adelheid, und
mir iſt wohl, dieſe Berge und Gaͤrten, dieſer
naͤchtliche Mondſchein, alles iſt freundſchaftlich
und vertraulich um mich her: aber wie wird mir
ſeyn, wenn ich Menſchen ſehe, wenn ich erzaͤh-
len ſoll; und wenn Dein Freund mich auch guͤ-
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/246>, abgerufen am 16.02.2025. |