Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. tragen, und das Band, welches sich verknüpfenddurch alle zieht, ist nur schwach: die Unbestimmt- heit und Übereilung der Hauptperson, und die Verlegenheiten, in welche diese sich stürzt. Mit der Erlaubniß der Herren, sagte Clara, möchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor- züglich gefallen hat. Wir treten stets in eine neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel- den ist liebenswürdig, seine Eitelkeit erniedrigt ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein Reichthum ist der, der wahrhaft erfreulich ist, ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und Correspondenz wird er fertig, und genießt seines Überflusses. Ich gestehe, daß ich schon im vor- aus gegen die zweite Hälfte eingenommen und überzeugt bin, daß sie mir weniger, als diese erste gefallen wird, weil ihr wahrscheinlich die Gelindigkeit mangelt, mit welcher diese behan- delt ist. Sie sind strenge, sagte Friedrich, und ich werde von diesen Worten um so mehr getroffen, weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht, das ich Ihnen morgen mittheilen soll, übersehe, so erkenne ich mich selbst, nach meinen jetzigen Gefühlen, in meiner damaligen Stimmung nicht wieder, und ich fühle schon jetzt die Peinlichkeit die mich beim Vortrage ängstigen wird. Das ist der sonderbare Wechsel des Lebens, daß uns das, was wir für unser Inneres, für das Wesen Zweite Abtheilung. tragen, und das Band, welches ſich verknuͤpfenddurch alle zieht, iſt nur ſchwach: die Unbeſtimmt- heit und Übereilung der Hauptperſon, und die Verlegenheiten, in welche dieſe ſich ſtuͤrzt. Mit der Erlaubniß der Herren, ſagte Clara, moͤchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor- zuͤglich gefallen hat. Wir treten ſtets in eine neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel- den iſt liebenswuͤrdig, ſeine Eitelkeit erniedrigt ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein Reichthum iſt der, der wahrhaft erfreulich iſt, ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und Correſpondenz wird er fertig, und genießt ſeines Überfluſſes. Ich geſtehe, daß ich ſchon im vor- aus gegen die zweite Haͤlfte eingenommen und uͤberzeugt bin, daß ſie mir weniger, als dieſe erſte gefallen wird, weil ihr wahrſcheinlich die Gelindigkeit mangelt, mit welcher dieſe behan- delt iſt. Sie ſind ſtrenge, ſagte Friedrich, und ich werde von dieſen Worten um ſo mehr getroffen, weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht, das ich Ihnen morgen mittheilen ſoll, uͤberſehe, ſo erkenne ich mich ſelbſt, nach meinen jetzigen Gefuͤhlen, in meiner damaligen Stimmung nicht wieder, und ich fuͤhle ſchon jetzt die Peinlichkeit die mich beim Vortrage aͤngſtigen wird. Das iſt der ſonderbare Wechſel des Lebens, daß uns das, was wir fuͤr unſer Inneres, fuͤr das Weſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#VAL"> <p><pb facs="#f0233" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> tragen, und das Band, welches ſich verknuͤpfend<lb/> durch alle zieht, iſt nur ſchwach: die Unbeſtimmt-<lb/> heit und Übereilung der Hauptperſon, und die<lb/> Verlegenheiten, in welche dieſe ſich ſtuͤrzt.</p><lb/> <p>Mit der Erlaubniß der Herren, ſagte Clara,<lb/> moͤchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor-<lb/> zuͤglich gefallen hat. Wir treten ſtets in eine<lb/> neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel-<lb/> den iſt liebenswuͤrdig, ſeine Eitelkeit erniedrigt<lb/> ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als<lb/> vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein<lb/> Reichthum iſt der, der wahrhaft erfreulich iſt,<lb/> ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und<lb/> Correſpondenz wird er fertig, und genießt ſeines<lb/> Überfluſſes. Ich geſtehe, daß ich ſchon im vor-<lb/> aus gegen die zweite Haͤlfte eingenommen und<lb/> uͤberzeugt bin, daß ſie mir weniger, als dieſe<lb/> erſte gefallen wird, weil ihr wahrſcheinlich die<lb/> Gelindigkeit mangelt, mit welcher dieſe behan-<lb/> delt iſt.</p><lb/> <p>Sie ſind ſtrenge, ſagte Friedrich, und ich<lb/> werde von dieſen Worten um ſo mehr getroffen,<lb/> weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht,<lb/> das ich Ihnen morgen mittheilen ſoll, uͤberſehe,<lb/> ſo erkenne ich mich ſelbſt, nach meinen jetzigen<lb/> Gefuͤhlen, in meiner damaligen Stimmung nicht<lb/> wieder, und ich fuͤhle ſchon jetzt die Peinlichkeit<lb/> die mich beim Vortrage aͤngſtigen wird. Das<lb/> iſt der ſonderbare Wechſel des Lebens, daß uns<lb/> das, was wir fuͤr unſer Inneres, fuͤr das Weſen<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0233]
Zweite Abtheilung.
tragen, und das Band, welches ſich verknuͤpfend
durch alle zieht, iſt nur ſchwach: die Unbeſtimmt-
heit und Übereilung der Hauptperſon, und die
Verlegenheiten, in welche dieſe ſich ſtuͤrzt.
Mit der Erlaubniß der Herren, ſagte Clara,
moͤchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor-
zuͤglich gefallen hat. Wir treten ſtets in eine
neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel-
den iſt liebenswuͤrdig, ſeine Eitelkeit erniedrigt
ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als
vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein
Reichthum iſt der, der wahrhaft erfreulich iſt,
ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und
Correſpondenz wird er fertig, und genießt ſeines
Überfluſſes. Ich geſtehe, daß ich ſchon im vor-
aus gegen die zweite Haͤlfte eingenommen und
uͤberzeugt bin, daß ſie mir weniger, als dieſe
erſte gefallen wird, weil ihr wahrſcheinlich die
Gelindigkeit mangelt, mit welcher dieſe behan-
delt iſt.
Sie ſind ſtrenge, ſagte Friedrich, und ich
werde von dieſen Worten um ſo mehr getroffen,
weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht,
das ich Ihnen morgen mittheilen ſoll, uͤberſehe,
ſo erkenne ich mich ſelbſt, nach meinen jetzigen
Gefuͤhlen, in meiner damaligen Stimmung nicht
wieder, und ich fuͤhle ſchon jetzt die Peinlichkeit
die mich beim Vortrage aͤngſtigen wird. Das
iſt der ſonderbare Wechſel des Lebens, daß uns
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