Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Blaubart.
Bart, wie Saturn, der eben einige Kinder gefres-
sen hat, oder dem sie Steine untergeschoben haben,
die er nur schwer verdauen kann.
Claus. Wer seid Ihr denn, lustiger Camerad?
Winfred. Ich bin nicht dein Camerad,
wenn ich auch dies buntfarbige Kleid trage; ich
diene beim größten Sänger im Deutschen Reich
als Jongleur.
Ulrich. Was ist das für ein Amt?
Winfred. Das bedeutet den, der seine Ge-
dichte absingt und deklamirt, und mit den Händen
dazu arbeitet, bald die Leute rührt und zum Wei-
nen bringt, dann wieder Lachen erregt, allerhand
Sprünge und Tänze versteht, und sich so im Lande
von seiner Kunst und durch seinen Herrn ernährt.
Ulrich. Also ein Hanswurst? Habs gleich
gedacht.
Winfred. Tölpel, ich will dich lehren, Un-
terschiede machen.
Ulrich. Nicht so grob, Hanswurst, du hast
erst schon über das kleine Männel gelacht und ge-
spottet, hüte dich, daß du es nicht mit mir zu
thun kriegst.
Winfred. Wer bist du, Großsprecher denn?
Wohl einer von den Paladinen, Roland, oder
Reinald von Mantalban, daß du das Maul so
aufreißen darfst?
Ulrich. Halunk du! Also wer ich bin, willst
du wissen? Und kennst schon meinen Herren Rein-
hold, und schimpfst ihn mit Ekelnamen? Gleich
mach dich fort!

Der Blaubart.
Bart, wie Saturn, der eben einige Kinder gefreſ-
ſen hat, oder dem ſie Steine untergeſchoben haben,
die er nur ſchwer verdauen kann.
Claus. Wer ſeid Ihr denn, luſtiger Camerad?
Winfred. Ich bin nicht dein Camerad,
wenn ich auch dies buntfarbige Kleid trage; ich
diene beim groͤßten Saͤnger im Deutſchen Reich
als Jongleur.
Ulrich. Was iſt das fuͤr ein Amt?
Winfred. Das bedeutet den, der ſeine Ge-
dichte abſingt und deklamirt, und mit den Haͤnden
dazu arbeitet, bald die Leute ruͤhrt und zum Wei-
nen bringt, dann wieder Lachen erregt, allerhand
Spruͤnge und Taͤnze verſteht, und ſich ſo im Lande
von ſeiner Kunſt und durch ſeinen Herrn ernaͤhrt.
Ulrich. Alſo ein Hanswurſt? Habs gleich
gedacht.
Winfred. Toͤlpel, ich will dich lehren, Un-
terſchiede machen.
Ulrich. Nicht ſo grob, Hanswurſt, du haſt
erſt ſchon uͤber das kleine Maͤnnel gelacht und ge-
ſpottet, huͤte dich, daß du es nicht mit mir zu
thun kriegſt.
Winfred. Wer biſt du, Großſprecher denn?
Wohl einer von den Paladinen, Roland, oder
Reinald von Mantalban, daß du das Maul ſo
aufreißen darfſt?
Ulrich. Halunk du! Alſo wer ich bin, willſt
du wiſſen? Und kennſt ſchon meinen Herren Rein-
hold, und ſchimpfſt ihn mit Ekelnamen? Gleich
mach dich fort!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#WINFRED">
                <p><pb facs="#f0080" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/>
Bart, wie Saturn, der eben einige Kinder gefre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hat, oder dem &#x017F;ie Steine unterge&#x017F;choben haben,<lb/>
die er nur &#x017F;chwer verdauen kann.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#CLAU">
                <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker>
                <p>Wer &#x017F;eid Ihr denn, lu&#x017F;tiger Camerad?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WINFRED">
                <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker>
                <p>Ich bin nicht dein Camerad,<lb/>
wenn ich auch dies buntfarbige Kleid trage; ich<lb/>
diene beim gro&#x0364;ßten Sa&#x0364;nger im Deut&#x017F;chen Reich<lb/>
als Jongleur.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ULR">
                <speaker><hi rendition="#g">Ulrich</hi>.</speaker>
                <p>Was i&#x017F;t das fu&#x0364;r ein Amt?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WINFRED">
                <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker>
                <p>Das bedeutet den, der &#x017F;eine Ge-<lb/>
dichte ab&#x017F;ingt und deklamirt, und mit den Ha&#x0364;nden<lb/>
dazu arbeitet, bald die Leute ru&#x0364;hrt und zum Wei-<lb/>
nen bringt, dann wieder Lachen erregt, allerhand<lb/>
Spru&#x0364;nge und Ta&#x0364;nze ver&#x017F;teht, und &#x017F;ich &#x017F;o im Lande<lb/>
von &#x017F;einer Kun&#x017F;t und durch &#x017F;einen Herrn erna&#x0364;hrt.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ULR">
                <speaker><hi rendition="#g">Ulrich</hi>.</speaker>
                <p>Al&#x017F;o ein Hanswur&#x017F;t? Habs gleich<lb/>
gedacht.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WINFRED">
                <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker>
                <p>To&#x0364;lpel, ich will dich lehren, Un-<lb/>
ter&#x017F;chiede machen.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ULR">
                <speaker><hi rendition="#g">Ulrich</hi>.</speaker>
                <p>Nicht &#x017F;o grob, Hanswur&#x017F;t, du ha&#x017F;t<lb/>
er&#x017F;t &#x017F;chon u&#x0364;ber das kleine Ma&#x0364;nnel gelacht und ge-<lb/>
&#x017F;pottet, hu&#x0364;te dich, daß du es nicht mit mir zu<lb/>
thun krieg&#x017F;t.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#WINFRED">
                <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker>
                <p>Wer bi&#x017F;t du, Groß&#x017F;precher denn?<lb/>
Wohl einer von den Paladinen, Roland, oder<lb/>
Reinald von Mantalban, daß du das Maul &#x017F;o<lb/>
aufreißen darf&#x017F;t?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ULR">
                <speaker><hi rendition="#g">Ulrich</hi>.</speaker>
                <p>Halunk du! Al&#x017F;o wer ich bin, will&#x017F;t<lb/>
du wi&#x017F;&#x017F;en? Und kenn&#x017F;t &#x017F;chon meinen Herren Rein-<lb/>
hold, und &#x017F;chimpf&#x017F;t ihn mit Ekelnamen? Gleich<lb/>
mach dich fort!</p>
              </sp><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0080] Der Blaubart. Bart, wie Saturn, der eben einige Kinder gefreſ- ſen hat, oder dem ſie Steine untergeſchoben haben, die er nur ſchwer verdauen kann. Claus. Wer ſeid Ihr denn, luſtiger Camerad? Winfred. Ich bin nicht dein Camerad, wenn ich auch dies buntfarbige Kleid trage; ich diene beim groͤßten Saͤnger im Deutſchen Reich als Jongleur. Ulrich. Was iſt das fuͤr ein Amt? Winfred. Das bedeutet den, der ſeine Ge- dichte abſingt und deklamirt, und mit den Haͤnden dazu arbeitet, bald die Leute ruͤhrt und zum Wei- nen bringt, dann wieder Lachen erregt, allerhand Spruͤnge und Taͤnze verſteht, und ſich ſo im Lande von ſeiner Kunſt und durch ſeinen Herrn ernaͤhrt. Ulrich. Alſo ein Hanswurſt? Habs gleich gedacht. Winfred. Toͤlpel, ich will dich lehren, Un- terſchiede machen. Ulrich. Nicht ſo grob, Hanswurſt, du haſt erſt ſchon uͤber das kleine Maͤnnel gelacht und ge- ſpottet, huͤte dich, daß du es nicht mit mir zu thun kriegſt. Winfred. Wer biſt du, Großſprecher denn? Wohl einer von den Paladinen, Roland, oder Reinald von Mantalban, daß du das Maul ſo aufreißen darfſt? Ulrich. Halunk du! Alſo wer ich bin, willſt du wiſſen? Und kennſt ſchon meinen Herren Rein- hold, und ſchimpfſt ihn mit Ekelnamen? Gleich mach dich fort!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/80
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/80>, abgerufen am 24.11.2024.