Thoms. Schönen Dank, schöne Frau, aber sagt doch, warum könnt Ihr uns nicht hier behal- ten?
Malwina. Lieber Hofrath, erklären Sie es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu schwer.
Semmelziege. Versteht, ihr Kleinen, noch Unmündigen, Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menschen Sitte, Es ahndet euer Sinn nicht und Gemüth Welch Greuelthat im Herzen sich bewegt, Wie grause Bosheit thront, wo Liebe, Barmherzigkeit den Scepter führen sollten. Es ist nicht nur, daß die Humanität Gar oft ermangelt, wo sie hingehört, Nicht nur, daß wir von der Erziehung des Geschlechts der Menschen, von der Fortschreitung Zum Bessern, oftmals nichts gewahren können; Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl, (Doch, Gott sey Dank, nur Individuen; Denn wo hinaus mit Glauben an das Schicksal, Wenn Tausende den Frevelsinn bewahrten?) Daß, um mich kurz, summarisch auszudrücken, Es also, wie gesagt, Individuen giebt, Die, statt human zu seyn, sich eine Ehre Draus machen, roh und inhuman zu scheinen.
Malwina. Sie werden Sie nicht begreifen.
Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Könnt Ihr folgen, he?
Zweite Abtheilung.
Thoms. Schoͤnen Dank, ſchoͤne Frau, aber ſagt doch, warum koͤnnt Ihr uns nicht hier behal- ten?
Malwina. Lieber Hofrath, erklaͤren Sie es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu ſchwer.
Semmelziege. Verſteht, ihr Kleinen, noch Unmuͤndigen, Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menſchen Sitte, Es ahndet euer Sinn nicht und Gemuͤth Welch Greuelthat im Herzen ſich bewegt, Wie grauſe Bosheit thront, wo Liebe, Barmherzigkeit den Scepter fuͤhren ſollten. Es iſt nicht nur, daß die Humanitaͤt Gar oft ermangelt, wo ſie hingehoͤrt, Nicht nur, daß wir von der Erziehung des Geſchlechts der Menſchen, von der Fortſchreitung Zum Beſſern, oftmals nichts gewahren koͤnnen; Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl, (Doch, Gott ſey Dank, nur Individuen; Denn wo hinaus mit Glauben an das Schickſal, Wenn Tauſende den Frevelſinn bewahrten?) Daß, um mich kurz, ſummariſch auszudruͤcken, Es alſo, wie geſagt, Individuen giebt, Die, ſtatt human zu ſeyn, ſich eine Ehre Draus machen, roh und inhuman zu ſcheinen.
Malwina. Sie werden Sie nicht begreifen.
Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Koͤnnt Ihr folgen, he?
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0507"n="498"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/><spwho="#THO"><speaker><hirendition="#g">Thoms</hi>.</speaker><p>Schoͤnen Dank, ſchoͤne Frau, aber<lb/>ſagt doch, warum koͤnnt Ihr uns nicht hier behal-<lb/>
ten?</p></sp><lb/><spwho="#MAL"><speaker><hirendition="#g">Malwina</hi>.</speaker><p>Lieber Hofrath, erklaͤren Sie<lb/>
es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu<lb/>ſchwer.</p></sp><lb/><spwho="#SEM"><speaker><hirendition="#g">Semmelziege</hi>.</speaker><lb/><p>Verſteht, ihr Kleinen, noch Unmuͤndigen,<lb/>
Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menſchen Sitte,<lb/>
Es ahndet euer Sinn nicht und Gemuͤth<lb/>
Welch Greuelthat im Herzen ſich bewegt,<lb/>
Wie grauſe Bosheit thront, wo Liebe,<lb/>
Barmherzigkeit den Scepter fuͤhren ſollten.<lb/>
Es iſt nicht nur, daß die Humanitaͤt<lb/>
Gar oft ermangelt, wo ſie hingehoͤrt,<lb/>
Nicht nur, daß wir von der Erziehung des<lb/>
Geſchlechts der Menſchen, von der Fortſchreitung<lb/>
Zum Beſſern, oftmals nichts gewahren koͤnnen;<lb/>
Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl,<lb/>
(Doch, Gott ſey Dank, nur Individuen;<lb/>
Denn wo hinaus mit Glauben an das Schickſal,<lb/>
Wenn Tauſende den Frevelſinn bewahrten?)<lb/>
Daß, um mich kurz, ſummariſch auszudruͤcken,<lb/>
Es alſo, wie geſagt, Individuen giebt,<lb/>
Die, ſtatt human zu ſeyn, ſich eine Ehre<lb/>
Draus machen, roh und inhuman zu ſcheinen.</p></sp><lb/><spwho="#MAL"><speaker><hirendition="#g">Malwina</hi>.</speaker><lb/><p>Sie werden Sie nicht begreifen.</p></sp><lb/><spwho="#SEM"><speaker><hirendition="#g">Semmelziege</hi>.</speaker><p>Kapirt Ihr mich? Koͤnnt<lb/>
Ihr folgen, he?</p></sp><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[498/0507]
Zweite Abtheilung.
Thoms. Schoͤnen Dank, ſchoͤne Frau, aber
ſagt doch, warum koͤnnt Ihr uns nicht hier behal-
ten?
Malwina. Lieber Hofrath, erklaͤren Sie
es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu
ſchwer.
Semmelziege.
Verſteht, ihr Kleinen, noch Unmuͤndigen,
Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menſchen Sitte,
Es ahndet euer Sinn nicht und Gemuͤth
Welch Greuelthat im Herzen ſich bewegt,
Wie grauſe Bosheit thront, wo Liebe,
Barmherzigkeit den Scepter fuͤhren ſollten.
Es iſt nicht nur, daß die Humanitaͤt
Gar oft ermangelt, wo ſie hingehoͤrt,
Nicht nur, daß wir von der Erziehung des
Geſchlechts der Menſchen, von der Fortſchreitung
Zum Beſſern, oftmals nichts gewahren koͤnnen;
Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl,
(Doch, Gott ſey Dank, nur Individuen;
Denn wo hinaus mit Glauben an das Schickſal,
Wenn Tauſende den Frevelſinn bewahrten?)
Daß, um mich kurz, ſummariſch auszudruͤcken,
Es alſo, wie geſagt, Individuen giebt,
Die, ſtatt human zu ſeyn, ſich eine Ehre
Draus machen, roh und inhuman zu ſcheinen.
Malwina.
Sie werden Sie nicht begreifen.
Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Koͤnnt
Ihr folgen, he?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/507>, abgerufen am 29.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.