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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Thoms. Schönen Dank, schöne Frau, aber
sagt doch, warum könnt Ihr uns nicht hier behal-
ten?
Malwina. Lieber Hofrath, erklären Sie
es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu
schwer.
Semmelziege.
Versteht, ihr Kleinen, noch Unmündigen,
Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menschen Sitte,
Es ahndet euer Sinn nicht und Gemüth
Welch Greuelthat im Herzen sich bewegt,
Wie grause Bosheit thront, wo Liebe,
Barmherzigkeit den Scepter führen sollten.
Es ist nicht nur, daß die Humanität
Gar oft ermangelt, wo sie hingehört,
Nicht nur, daß wir von der Erziehung des
Geschlechts der Menschen, von der Fortschreitung
Zum Bessern, oftmals nichts gewahren können;
Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl,
(Doch, Gott sey Dank, nur Individuen;
Denn wo hinaus mit Glauben an das Schicksal,
Wenn Tausende den Frevelsinn bewahrten?)
Daß, um mich kurz, summarisch auszudrücken,
Es also, wie gesagt, Individuen giebt,
Die, statt human zu seyn, sich eine Ehre
Draus machen, roh und inhuman zu scheinen.
Malwina.
Sie werden Sie nicht begreifen.
Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Könnt
Ihr folgen, he?

Zweite Abtheilung.
Thoms. Schoͤnen Dank, ſchoͤne Frau, aber
ſagt doch, warum koͤnnt Ihr uns nicht hier behal-
ten?
Malwina. Lieber Hofrath, erklaͤren Sie
es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu
ſchwer.
Semmelziege.
Verſteht, ihr Kleinen, noch Unmuͤndigen,
Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menſchen Sitte,
Es ahndet euer Sinn nicht und Gemuͤth
Welch Greuelthat im Herzen ſich bewegt,
Wie grauſe Bosheit thront, wo Liebe,
Barmherzigkeit den Scepter fuͤhren ſollten.
Es iſt nicht nur, daß die Humanitaͤt
Gar oft ermangelt, wo ſie hingehoͤrt,
Nicht nur, daß wir von der Erziehung des
Geſchlechts der Menſchen, von der Fortſchreitung
Zum Beſſern, oftmals nichts gewahren koͤnnen;
Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl,
(Doch, Gott ſey Dank, nur Individuen;
Denn wo hinaus mit Glauben an das Schickſal,
Wenn Tauſende den Frevelſinn bewahrten?)
Daß, um mich kurz, ſummariſch auszudruͤcken,
Es alſo, wie geſagt, Individuen giebt,
Die, ſtatt human zu ſeyn, ſich eine Ehre
Draus machen, roh und inhuman zu ſcheinen.
Malwina.
Sie werden Sie nicht begreifen.
Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Koͤnnt
Ihr folgen, he?

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[498/0507] Zweite Abtheilung. Thoms. Schoͤnen Dank, ſchoͤne Frau, aber ſagt doch, warum koͤnnt Ihr uns nicht hier behal- ten? Malwina. Lieber Hofrath, erklaͤren Sie es Ihnen, es macht mir das Herz gar zu ſchwer. Semmelziege. Verſteht, ihr Kleinen, noch Unmuͤndigen, Ihr kennt die Welt wohl nicht, der Menſchen Sitte, Es ahndet euer Sinn nicht und Gemuͤth Welch Greuelthat im Herzen ſich bewegt, Wie grauſe Bosheit thront, wo Liebe, Barmherzigkeit den Scepter fuͤhren ſollten. Es iſt nicht nur, daß die Humanitaͤt Gar oft ermangelt, wo ſie hingehoͤrt, Nicht nur, daß wir von der Erziehung des Geſchlechts der Menſchen, von der Fortſchreitung Zum Beſſern, oftmals nichts gewahren koͤnnen; Im Gegentheil, Individuen giebt es wohl, (Doch, Gott ſey Dank, nur Individuen; Denn wo hinaus mit Glauben an das Schickſal, Wenn Tauſende den Frevelſinn bewahrten?) Daß, um mich kurz, ſummariſch auszudruͤcken, Es alſo, wie geſagt, Individuen giebt, Die, ſtatt human zu ſeyn, ſich eine Ehre Draus machen, roh und inhuman zu ſcheinen. Malwina. Sie werden Sie nicht begreifen. Semmelziege. Kapirt Ihr mich? Koͤnnt Ihr folgen, he?

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/507>, abgerufen am 23.11.2024.