Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Däumchen. Des Feindes Heer zu neuem Kampf gerüstet,Und wieder, fürcht' ich, weicht der Unsern Schaar; Zu sehr ist dieser Krieg als Spiel begonnen, Er wird fast nur als Ritterscherz geführt, Wir glauben nicht, daß Leben, Ehre, Freiheit Gefährdet wird und denken nur auf morgen, Erfreun uns kleinen Vortheils, gehen unter, Weil wir den Feind gering nur achten wollen, Und doch uns selbst, Vertraun auf uns verlieren. Artus. Mein Neffe spricht nicht sonder tiefe Weisheit. Was solls, daß unsre Besten sich entfernt? Der eine schmachtet in der Minne Fesseln, Ein schönes Bild rief ihn zu fernen Küsten, Um gegen Riesen, Zauberer zu kämpfen, Statt hier der Riesen scheußlichsten zu dämpfen: Ein andrer sucht den wundervollen Gral, Durchstreift Gebirg und Wald auf fremden Boden, Vergißt die Drangsal unsrer Tafelrunde, Die Ehre wie das theure Vaterland; Ein dritter will die Jagd nur fleißig üben, Ein vierter spricht: kommt man zu meinem Schloß So wehr ich mich der Haut aus allen Kräften, Doch ohne Noth such ich nicht Händel auf; Ein Frommer will nun gar auf Wallfahrt ziehn; So denkt ein jeder nur sich selbst, vergißt, Wodurch er selbst nur freier Ritter ist. Gawein. Und was am schlimmsten, die noch thätig sind Bestreiten selber sich: der will den Krieg Daͤumchen. Des Feindes Heer zu neuem Kampf geruͤſtet,Und wieder, fuͤrcht' ich, weicht der Unſern Schaar; Zu ſehr iſt dieſer Krieg als Spiel begonnen, Er wird faſt nur als Ritterſcherz gefuͤhrt, Wir glauben nicht, daß Leben, Ehre, Freiheit Gefaͤhrdet wird und denken nur auf morgen, Erfreun uns kleinen Vortheils, gehen unter, Weil wir den Feind gering nur achten wollen, Und doch uns ſelbſt, Vertraun auf uns verlieren. Artus. Mein Neffe ſpricht nicht ſonder tiefe Weisheit. Was ſolls, daß unſre Beſten ſich entfernt? Der eine ſchmachtet in der Minne Feſſeln, Ein ſchoͤnes Bild rief ihn zu fernen Kuͤſten, Um gegen Rieſen, Zauberer zu kaͤmpfen, Statt hier der Rieſen ſcheußlichſten zu daͤmpfen: Ein andrer ſucht den wundervollen Gral, Durchſtreift Gebirg und Wald auf fremden Boden, Vergißt die Drangſal unſrer Tafelrunde, Die Ehre wie das theure Vaterland; Ein dritter will die Jagd nur fleißig uͤben, Ein vierter ſpricht: kommt man zu meinem Schloß So wehr ich mich der Haut aus allen Kraͤften, Doch ohne Noth ſuch ich nicht Haͤndel auf; Ein Frommer will nun gar auf Wallfahrt ziehn; So denkt ein jeder nur ſich ſelbſt, vergißt, Wodurch er ſelbſt nur freier Ritter iſt. Gawein. Und was am ſchlimmſten, die noch thaͤtig ſind Beſtreiten ſelber ſich: der will den Krieg <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#GAW"> <p><pb facs="#f0494" n="485"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Daͤumchen</hi>.</fw><lb/> Des Feindes Heer zu neuem Kampf geruͤſtet,<lb/> Und wieder, fuͤrcht' ich, weicht der Unſern Schaar;<lb/> Zu ſehr iſt dieſer Krieg als Spiel begonnen,<lb/> Er wird faſt nur als Ritterſcherz gefuͤhrt,<lb/> Wir glauben nicht, daß Leben, Ehre, Freiheit<lb/> Gefaͤhrdet wird und denken nur auf morgen,<lb/> Erfreun uns kleinen Vortheils, gehen unter,<lb/> Weil wir den Feind gering nur achten wollen,<lb/> Und doch uns ſelbſt, Vertraun auf uns verlieren.</p> </sp><lb/> <sp who="#ART"> <speaker><hi rendition="#g">Artus</hi>.</speaker><lb/> <p>Mein Neffe ſpricht nicht ſonder tiefe Weisheit.<lb/> Was ſolls, daß unſre Beſten ſich entfernt?<lb/> Der eine ſchmachtet in der Minne Feſſeln,<lb/> Ein ſchoͤnes Bild rief ihn zu fernen Kuͤſten,<lb/> Um gegen Rieſen, Zauberer zu kaͤmpfen,<lb/> Statt hier der Rieſen ſcheußlichſten zu daͤmpfen:<lb/> Ein andrer ſucht den wundervollen Gral,<lb/> Durchſtreift Gebirg und Wald auf fremden Boden,<lb/> Vergißt die Drangſal unſrer Tafelrunde,<lb/> Die Ehre wie das theure Vaterland;<lb/> Ein dritter will die Jagd nur fleißig uͤben,<lb/> Ein vierter ſpricht: kommt man zu meinem Schloß<lb/> So wehr ich mich der Haut aus allen Kraͤften,<lb/> Doch ohne Noth ſuch ich nicht Haͤndel auf;<lb/> Ein Frommer will nun gar auf Wallfahrt ziehn;<lb/> So denkt ein jeder nur ſich ſelbſt, vergißt,<lb/> Wodurch er ſelbſt nur freier Ritter iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#GAW"> <speaker><hi rendition="#g">Gawein</hi>.</speaker><lb/> <p>Und was am ſchlimmſten, die noch thaͤtig ſind<lb/> Beſtreiten ſelber ſich: der will den Krieg<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [485/0494]
Daͤumchen.
Des Feindes Heer zu neuem Kampf geruͤſtet,
Und wieder, fuͤrcht' ich, weicht der Unſern Schaar;
Zu ſehr iſt dieſer Krieg als Spiel begonnen,
Er wird faſt nur als Ritterſcherz gefuͤhrt,
Wir glauben nicht, daß Leben, Ehre, Freiheit
Gefaͤhrdet wird und denken nur auf morgen,
Erfreun uns kleinen Vortheils, gehen unter,
Weil wir den Feind gering nur achten wollen,
Und doch uns ſelbſt, Vertraun auf uns verlieren.
Artus.
Mein Neffe ſpricht nicht ſonder tiefe Weisheit.
Was ſolls, daß unſre Beſten ſich entfernt?
Der eine ſchmachtet in der Minne Feſſeln,
Ein ſchoͤnes Bild rief ihn zu fernen Kuͤſten,
Um gegen Rieſen, Zauberer zu kaͤmpfen,
Statt hier der Rieſen ſcheußlichſten zu daͤmpfen:
Ein andrer ſucht den wundervollen Gral,
Durchſtreift Gebirg und Wald auf fremden Boden,
Vergißt die Drangſal unſrer Tafelrunde,
Die Ehre wie das theure Vaterland;
Ein dritter will die Jagd nur fleißig uͤben,
Ein vierter ſpricht: kommt man zu meinem Schloß
So wehr ich mich der Haut aus allen Kraͤften,
Doch ohne Noth ſuch ich nicht Haͤndel auf;
Ein Frommer will nun gar auf Wallfahrt ziehn;
So denkt ein jeder nur ſich ſelbſt, vergißt,
Wodurch er ſelbſt nur freier Ritter iſt.
Gawein.
Und was am ſchlimmſten, die noch thaͤtig ſind
Beſtreiten ſelber ſich: der will den Krieg
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