Laßt die ganze Seele glühen, Strahlen aus und einwärts ziehen, Lilgen werden auferblühen, Nacht und Dunkel schüchtern fliehen Von dem Lande, Wo das Kreuz in Thränen stande.
Ach, Maria, welche Leiden Mußten deine Seele schneiden! Wer empfand doch von euch beiden Wohl zumeist den Tod der Freuden?
Englein, kommt! im Niederklimmen Laßt erglänzen eure Stimmen, Ihr wart ja am Kreuz zugegen Als der Welt geschah der Seegen, Müßt euch klingend nun bewegen, Flüglein fein zusammen legen, Daß in den Gesanges-Stimmen Störend mag kein Rauschen schwimmen.
Als die Mutter in dem Sohne Sah ihr eignes Herze tödten, Ach, wie ward in bittern Nöthen Dir des Todes Angst zum Lohne! O, wo blieb die goldne Krone? Deine Seele rief zum Throne Mit dem Sohne: Vater, schone!
Ach! wer könnte sich versteinen, Nicht mit dir, Maria, weinen? Seel' und Herz nicht dir vereinen? Thränen, brecht hervor mit Scheinen, Zittert Töne, klage Stöhnen, Siehe, wie in Schmach, Verhöhnen, Noth, Angst, Schmerz zerbricht den Reinen!
Aber, Weinen,
Zweite Abtheilung.
Laßt die ganze Seele gluͤhen, Strahlen aus und einwaͤrts ziehen, Lilgen werden auferbluͤhen, Nacht und Dunkel ſchuͤchtern fliehen Von dem Lande, Wo das Kreuz in Thraͤnen ſtande.
Ach, Maria, welche Leiden Mußten deine Seele ſchneiden! Wer empfand doch von euch beiden Wohl zumeiſt den Tod der Freuden?
Englein, kommt! im Niederklimmen Laßt erglaͤnzen eure Stimmen, Ihr wart ja am Kreuz zugegen Als der Welt geſchah der Seegen, Muͤßt euch klingend nun bewegen, Fluͤglein fein zuſammen legen, Daß in den Geſanges-Stimmen Stoͤrend mag kein Rauſchen ſchwimmen.
Als die Mutter in dem Sohne Sah ihr eignes Herze toͤdten, Ach, wie ward in bittern Noͤthen Dir des Todes Angſt zum Lohne! O, wo blieb die goldne Krone? Deine Seele rief zum Throne Mit dem Sohne: Vater, ſchone!
Ach! wer koͤnnte ſich verſteinen, Nicht mit dir, Maria, weinen? Seel' und Herz nicht dir vereinen? Thraͤnen, brecht hervor mit Scheinen, Zittert Toͤne, klage Stoͤhnen, Siehe, wie in Schmach, Verhoͤhnen, Noth, Angſt, Schmerz zerbricht den Reinen!
Aber, Weinen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0452"n="443"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/><lgn="2"><l>Laßt die ganze Seele gluͤhen,</l><lb/><l>Strahlen aus und einwaͤrts ziehen,</l><lb/><l>Lilgen werden auferbluͤhen,</l><lb/><l>Nacht und Dunkel ſchuͤchtern fliehen</l><lb/><l>Von dem Lande,</l><lb/><l>Wo das Kreuz in Thraͤnen ſtande.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Ach, Maria, welche Leiden</l><lb/><l>Mußten deine Seele ſchneiden!</l><lb/><l>Wer empfand doch von euch beiden</l><lb/><l>Wohl zumeiſt den Tod der Freuden?</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Englein, kommt! im Niederklimmen</l><lb/><l>Laßt erglaͤnzen eure Stimmen,</l><lb/><l>Ihr wart ja am Kreuz zugegen</l><lb/><l>Als der Welt geſchah der Seegen,</l><lb/><l>Muͤßt euch klingend nun bewegen,</l><lb/><l>Fluͤglein fein zuſammen legen,</l><lb/><l>Daß in den Geſanges-Stimmen</l><lb/><l>Stoͤrend mag kein Rauſchen ſchwimmen.</l></lg><lb/><lgn="5"><l>Als die Mutter in dem Sohne</l><lb/><l>Sah ihr eignes Herze toͤdten,</l><lb/><l>Ach, wie ward in bittern Noͤthen</l><lb/><l>Dir des Todes Angſt zum Lohne!</l><lb/><l>O, wo blieb die goldne Krone?</l><lb/><l>Deine Seele rief zum Throne</l><lb/><l>Mit dem Sohne: Vater, ſchone!</l></lg><lb/><lgn="6"><l>Ach! wer koͤnnte ſich verſteinen,</l><lb/><l>Nicht mit dir, Maria, weinen?</l><lb/><l>Seel' und Herz nicht dir vereinen?</l><lb/><l>Thraͤnen, brecht hervor mit Scheinen,</l><lb/><l>Zittert Toͤne, klage Stoͤhnen,</l><lb/><l>Siehe, wie in Schmach, Verhoͤhnen,</l><lb/><l>Noth, Angſt, Schmerz zerbricht den Reinen!</l></lg><lb/><lgn="7"><l>Aber, Weinen,</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
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Zweite Abtheilung.
Laßt die ganze Seele gluͤhen,
Strahlen aus und einwaͤrts ziehen,
Lilgen werden auferbluͤhen,
Nacht und Dunkel ſchuͤchtern fliehen
Von dem Lande,
Wo das Kreuz in Thraͤnen ſtande.
Ach, Maria, welche Leiden
Mußten deine Seele ſchneiden!
Wer empfand doch von euch beiden
Wohl zumeiſt den Tod der Freuden?
Englein, kommt! im Niederklimmen
Laßt erglaͤnzen eure Stimmen,
Ihr wart ja am Kreuz zugegen
Als der Welt geſchah der Seegen,
Muͤßt euch klingend nun bewegen,
Fluͤglein fein zuſammen legen,
Daß in den Geſanges-Stimmen
Stoͤrend mag kein Rauſchen ſchwimmen.
Als die Mutter in dem Sohne
Sah ihr eignes Herze toͤdten,
Ach, wie ward in bittern Noͤthen
Dir des Todes Angſt zum Lohne!
O, wo blieb die goldne Krone?
Deine Seele rief zum Throne
Mit dem Sohne: Vater, ſchone!
Ach! wer koͤnnte ſich verſteinen,
Nicht mit dir, Maria, weinen?
Seel' und Herz nicht dir vereinen?
Thraͤnen, brecht hervor mit Scheinen,
Zittert Toͤne, klage Stoͤhnen,
Siehe, wie in Schmach, Verhoͤhnen,
Noth, Angſt, Schmerz zerbricht den Reinen!
Aber, Weinen,
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/452>, abgerufen am 16.02.2025.
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