Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. herein brechen würde, ein Stück ins Feld hin-ein gegangen, kein Schutz, bis zu meiner Gar- tenwohnung hin, ließ sich antreffen. Ehe sich der Platzregen ergoß, entstand, wie oft vor star- ken Gewittern, ein solcher Sturm und Wirbel- wind, mit einem so ungeheuren und dichten Staube, daß Augen Mund und Ohren sogleich begraben wurden. Ich mußte mich meinem Freund in die Arme werfen, um nicht umge- rissen zu werden, der sich wie ein Baum mit seiner ganzen Stärke in den Boden wurzelte. Gleich darauf strömte der unbarmherzigste Platz- regen nieder, die dichteste Nacht umzog uns, nur vom Blenden der Blitze augenblicklich durch- rissen. Ich kann nur nicht sprechen, sagte mein Freund, Wind und Regen lassen es nicht zu, und das Brüllen des Donners, aber zu Hause will ich dir meine Meinung sagen. Nach einer Stunde gelangten wir an (ein Gesunder konnte den Weg in weniger als einer Viertelstunde vol- lenden); ich legte mich sogleich zu Bett, warme Tücher, heißer Wein, Medizin, wurden eiligst herbei geschafft, aufgelegt, genossen und einge- nommen, und als der erste Schreck vorüber war, setzte sich der Beste der Menschen an mein Bett und hielt mir eine derbe Strafpredigt über meine Unvernunft, über diese alberne Leidenschaft, über die Verachtung und Vernachlässigung des Gewitters, welche um so zorniger und ausführ- licher gerieth, weil er sich überzeugte, daß meine Zweite Abtheilung. herein brechen wuͤrde, ein Stuͤck ins Feld hin-ein gegangen, kein Schutz, bis zu meiner Gar- tenwohnung hin, ließ ſich antreffen. Ehe ſich der Platzregen ergoß, entſtand, wie oft vor ſtar- ken Gewittern, ein ſolcher Sturm und Wirbel- wind, mit einem ſo ungeheuren und dichten Staube, daß Augen Mund und Ohren ſogleich begraben wurden. Ich mußte mich meinem Freund in die Arme werfen, um nicht umge- riſſen zu werden, der ſich wie ein Baum mit ſeiner ganzen Staͤrke in den Boden wurzelte. Gleich darauf ſtroͤmte der unbarmherzigſte Platz- regen nieder, die dichteſte Nacht umzog uns, nur vom Blenden der Blitze augenblicklich durch- riſſen. Ich kann nur nicht ſprechen, ſagte mein Freund, Wind und Regen laſſen es nicht zu, und das Bruͤllen des Donners, aber zu Hauſe will ich dir meine Meinung ſagen. Nach einer Stunde gelangten wir an (ein Geſunder konnte den Weg in weniger als einer Viertelſtunde vol- lenden); ich legte mich ſogleich zu Bett, warme Tuͤcher, heißer Wein, Medizin, wurden eiligſt herbei geſchafft, aufgelegt, genoſſen und einge- nommen, und als der erſte Schreck voruͤber war, ſetzte ſich der Beſte der Menſchen an mein Bett und hielt mir eine derbe Strafpredigt uͤber meine Unvernunft, uͤber dieſe alberne Leidenſchaft, uͤber die Verachtung und Vernachlaͤſſigung des Gewitters, welche um ſo zorniger und ausfuͤhr- licher gerieth, weil er ſich uͤberzeugte, daß meine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0400" n="391"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> herein brechen wuͤrde, ein Stuͤck ins Feld hin-<lb/> ein gegangen, kein Schutz, bis zu meiner Gar-<lb/> tenwohnung hin, ließ ſich antreffen. Ehe ſich<lb/> der Platzregen ergoß, entſtand, wie oft vor ſtar-<lb/> ken Gewittern, ein ſolcher Sturm und Wirbel-<lb/> wind, mit einem ſo ungeheuren und dichten<lb/> Staube, daß Augen Mund und Ohren ſogleich<lb/> begraben wurden. Ich mußte mich meinem<lb/> Freund in die Arme werfen, um nicht umge-<lb/> riſſen zu werden, der ſich wie ein Baum mit<lb/> ſeiner ganzen Staͤrke in den Boden wurzelte.<lb/> Gleich darauf ſtroͤmte der unbarmherzigſte Platz-<lb/> regen nieder, die dichteſte Nacht umzog uns,<lb/> nur vom Blenden der Blitze augenblicklich durch-<lb/> riſſen. Ich kann nur nicht ſprechen, ſagte mein<lb/> Freund, Wind und Regen laſſen es nicht zu,<lb/> und das Bruͤllen des Donners, aber zu Hauſe<lb/> will ich dir meine Meinung ſagen. Nach einer<lb/> Stunde gelangten wir an (ein Geſunder konnte<lb/> den Weg in weniger als einer Viertelſtunde vol-<lb/> lenden); ich legte mich ſogleich zu Bett, warme<lb/> Tuͤcher, heißer Wein, Medizin, wurden eiligſt<lb/> herbei geſchafft, aufgelegt, genoſſen und einge-<lb/> nommen, und als der erſte Schreck voruͤber<lb/> war, ſetzte ſich der Beſte der Menſchen an mein<lb/> Bett und hielt mir eine derbe Strafpredigt uͤber<lb/> meine Unvernunft, uͤber dieſe alberne Leidenſchaft,<lb/> uͤber die Verachtung und Vernachlaͤſſigung des<lb/> Gewitters, welche um ſo zorniger und ausfuͤhr-<lb/> licher gerieth, weil er ſich uͤberzeugte, daß meine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0400]
Zweite Abtheilung.
herein brechen wuͤrde, ein Stuͤck ins Feld hin-
ein gegangen, kein Schutz, bis zu meiner Gar-
tenwohnung hin, ließ ſich antreffen. Ehe ſich
der Platzregen ergoß, entſtand, wie oft vor ſtar-
ken Gewittern, ein ſolcher Sturm und Wirbel-
wind, mit einem ſo ungeheuren und dichten
Staube, daß Augen Mund und Ohren ſogleich
begraben wurden. Ich mußte mich meinem
Freund in die Arme werfen, um nicht umge-
riſſen zu werden, der ſich wie ein Baum mit
ſeiner ganzen Staͤrke in den Boden wurzelte.
Gleich darauf ſtroͤmte der unbarmherzigſte Platz-
regen nieder, die dichteſte Nacht umzog uns,
nur vom Blenden der Blitze augenblicklich durch-
riſſen. Ich kann nur nicht ſprechen, ſagte mein
Freund, Wind und Regen laſſen es nicht zu,
und das Bruͤllen des Donners, aber zu Hauſe
will ich dir meine Meinung ſagen. Nach einer
Stunde gelangten wir an (ein Geſunder konnte
den Weg in weniger als einer Viertelſtunde vol-
lenden); ich legte mich ſogleich zu Bett, warme
Tuͤcher, heißer Wein, Medizin, wurden eiligſt
herbei geſchafft, aufgelegt, genoſſen und einge-
nommen, und als der erſte Schreck voruͤber
war, ſetzte ſich der Beſte der Menſchen an mein
Bett und hielt mir eine derbe Strafpredigt uͤber
meine Unvernunft, uͤber dieſe alberne Leidenſchaft,
uͤber die Verachtung und Vernachlaͤſſigung des
Gewitters, welche um ſo zorniger und ausfuͤhr-
licher gerieth, weil er ſich uͤberzeugte, daß meine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |